Chapter 13
Nach einem letzten bösen Blick gehe ich zurück zu den Toiletten und klopfe an die Männertoilette.
„Alles…du weißt schon.“
„Verschwinde!“
„Was? He, warum das denn?“ Vorsichtig öffne ich die Tür und taumel sofort ein paar Schritte zurück. Die kann in der nächsten halben Stunde niemand mehr betreten, soviel steht fest!
Schnell halte ich mir die Nase zu.
„Ich habe gesagt, verschwinde“, knurrt Herrn Moralez Sohn, doch es klingt nicht halb so eindrucksvoll, weil seine Stimme ganz heiser ist und er einfach nur furchtbar aussieht.
„Ich kann dir helfen …Junge“, sage ich, weil ich sonst nicht weiß, wie ich ihn anreden soll. Sein Name ist mir wieder entfallen.
„Hau ab, ich brauche dein Mitleid nicht“, ächzt er und würgt wieder ein bisschen.
Ich verdrehe die Augen. „Ich habe Tabletten, die dir helfen können“, erkläre ich und fuchtel damit herum.
„Sag das doch gleich!“
„Wie denn bitte? Wenn du mich dauernd anschnauzt J… verdammt, wie heißt du noch mal? Ich kann dich nicht dauernd Junge nennen.“ Genervt sehe ich ihn an.
„Jen, und jetzt gib mir die Tabletten!“
„Ist das ne Abkürzung?“, frage ich und reiche ihm vorsichtig die Kapseln, um dann sofort wieder zurück zu weichen. Er schluckt die drei Tabletten alle auf einmal.
„Nein und jetzt verzieh dich.“
„Ein Danke währe auch wirklich überflüssig gewesen“, brumme ich und verschränke die Arme vor der Brust.
Er stöhnt genervt auf. „Ich brauche mich nicht zu bedanken.“
„Dann kotz mal schön weiter“, sage ich süffisant, drehe mich um, gehe zurück und setze mich auf Finjas Platz, da sie ja auf meinem schläft.
„Mein Gott! Du … riechst!“, brummt Herr Moralez und sieht mich mit verzogenem Mund an.
„Na und?“, raunze ich, worauf er sich sofort umblickt, ob jemand mich gehört hat, dann sieht er mich warnend an.
„Noch ein mal in diesem Ton, und du wirst dir wünschen überhaupt noch sprechen zu können!“
Ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit, also schlucke ich die spöttische Antwort, die mir auf der Zunge liegt hinunter, ziehe die Beine hoch und drehe ihm den Rücken zu.
Finja liegt völlig still da, also schließe ich die Augen und atme leise aus. Eigentlich bin ich nicht müde aber versuchen kann ich es ja mal.
Keine fünf Minuten später schrecke ich durch ein Rascheln auf, doch es ist nur Jen, der sich neben mich setzt.
Seufzend rolle ich mich wieder zusammen und starre auf die schwarze Decke. Schwarz. Ich muss an Nico denken und sofort ist meine Laune auf dem Tiefpunkt. Hoffentlich geht es ihm gut und … oh nein! Cassy, hoffentlich hat er ihr nichts angetan!
Bestimmt nicht, überlege ich dann. Er weiß doch, wie viel sie mir bedeutet. Plötzlich muss ich an die Schule denken. Herr Kingston ist bestimmt froh mich los zu sein. Ich kann mir sein hämisches und zufriedenes Gesicht ziemlich gut vorstellen und knirsche fast mit den Zähnen. Bestimmt hat seine Frau ihm erzählt, dass ich verkauft worden bin. Dieser ganze Mist wirft mich in der Schule wahrscheinlich ganz schön zurück. Ich seufze abermals. Das würde ich alles wieder aufholen müssen. Aber das war noch mein geringstes Problem. Wenn ich nie wieder in meinem Leben nach Deutschland zurück kehren und für immer bei diesem Typen festhängen würde, interessierte die Schule auch nicht mehr.
Still betrachte ich Finja. Sie hat bestimmt noch keine Schule von innen gesehen. Im Moment sieht alles rabenschwarz aus, also schüttel ich den Kopf um die Gedanken zu verscheuchen und streiche mit den Fingern über die weiche Sitzlehne.
Wie lange fliegen wir eigentlich? Die Frage geistert in meinem Kopf herum, doch ich habe keine Lust zu fragen.
Schließlich schlafe ich ein.
Es ist dunkel, als ich aufwache. Das ganze Flugzeug ist in ein graudunkel getaucht, überall schlafen die Passagiere. Neugierig beuge ich mich an Finja vorbei um aus dem Fenster zu
sehen, doch es ist auch draußen absolut schwarz. Behutsam, um sie nicht aufzuwecken, lehne ich mich noch ein Stück weiter vor, in der Hoffnung Lichter zu sehen, doch ich kann nirgends welche entdecken. Wahrscheinlich sind wir gerade über dem Ozean.
Langsam lehne ich mich wieder zurück und merke, dass ich aufs Klo muss und dann kommt mir plötzlich eine Idee.
Wie in Zeitlupe drehe ich mich zu Herr Moralez und Jen um, doch beide schlafen. Ganz langsam und vorsichtig stehe ich auf und quetsche mich an ihnen vorbei zum Gang.
Herr Moralez zuckt leicht zusammen, als ich mich an ihm vorbei schiebe und ich kann gerade noch seinem Bein ausweichen. Endlich stehe ich im Gang und drehe mich zu ihm um. Schnell werfe ich noch einen prüfenden Blick auf die anderen Passagiere in der Nähe, doch alle schlafen. Perfekt!
Mit spitzen Fingern ziehe ich die Decke, mit der sich Herr Moralez zugedeckt hat hinunter. Er scheint nichts zu bemerken, zumindestens bewegt er sich nicht.
Erleichtert atme ich aus, nur um dann sofort wieder die Luft anzuhalten: Jen murmelt leise etwas, doch scheint nicht aufzuwachen.
Ganz vorsichtig hebe ich Herrn Moralez Jackett an und werde enttäuscht. Sein Handy ist nicht in der Innentasche. Aber er muss doch bestimmt eins dabei haben!
Ok, was ist mit den Hosentaschen? Behutsam klopfe ich sie ab, doch sie sind leer und meine Aktion hat nur zur Folge, dass Herr Moralez sich leicht grunzend auf die andere Seite dreht, von mir weg. Missmutig stehe ich da, als mir sein Gürtel auffällt. Den Versuch hast du noch.
Wieder hebe ich sein Jackett an und untersuche den Gürtel. Da ist ein schwarzes rechteckiges Ding dran. Treffer! Meine Finger zittern und am liebsten würde ich das Handy einfach abreißen, doch ich muss geduldig sein und aufpassen.
Lautlos löse ich das Handy von seinem Gürtel und ziehe es zu mir. Sein Jackett rutscht wieder an seinen Platz, ich weiche zurück und stoße an einen Sitz. Erschrocken fahre ich herum, doch die Frau schläft wie ein Stein.
Mein Herz beruhigt sich wieder und ich atme erleichtert aus, nur um mir sofort die Hand auf den Mund zu pressen. Eine Sitzreihe hinter Moralez wacht ein Mann auf und sieht mich unfreundlich an.
„Entschuldigung“, forme ich mit den Lippen und lächel verlegen. Doch der Mann hat die Augen bereits wieder geschlossen.
Leise pirsche ich mich zur Toilette, erst langsam, dann immer schneller. Hastig husche ich in die Kabine und schließe die Tür hinter mir. Ich zitter am ganzen Körper vor Aufregung und aufs Klo muss ich zum Glück auch nicht mehr.
Mit fliegenden Fingern wähle ich die Nummer von zu Hause.
Bitte, bitte seid da, denke ich, als abgenommen wird.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top