I understand how you feel
„Danke für Ihren Einkauf!"
Still nickte ich der Verkäuferin zu und verließ dann das Modegeschäft. Draußen angekommen atmete ich tief die frische Luft ein. Eine halbe Stunde war in nun an der Kasse gestanden und hatte darauf gewartet, dass ich endlich bezahlen durfte.
Seit wann war bei so einem Wetter so viel los?
Normalerweise waren die Straßen leer. Heute war wohl einer dieser Ausnahmefälle.
Müde strich ich meine Haare zurück und ging los zur nächsten U-Bahn Station. Dabei schweiften meine Gedanken zu einer bestimmten Person.
Yong Junhyung.
Es war eine halbe Woche vergangen seit er aus dem Café geflüchtet war und mich ohne eine Erklärung zurück gelassen hatte. Mittlerweile gab ich mir selbst die Schuld dafür, obwohl ich nicht mal den Auslöser dafür kannte.
Aber was sollte ich denn sonst denken?
Plötzlich ertönte mein Nachrichtenton. Umständlich holte ich mein Handy aus der kleinen Handtasche, die ich bei mir trug. Eine unbekannte Nummer schrieb mir.
Nimm es ihm nicht böse, er ist oft unhöflich.
Sein Verhalten hat rein gar nichts mit dir zu tun gehabt.
Um dich aufzuheitern; er wird sich bei dir melden. Heute noch!
Lange überlegen von wem die Nachricht war, musste ich nicht. Das war zu hundert Prozent Kikwang. Er hatte mich ja schon einmal angerufen, aber unterdrückt. Ich hatte seine Nummer nicht einspeichern können. Jetzt allerdings konnte ich es.
Junhyung hatte ihm wohl erst jetzt erzählt was vorgefallen war. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Mein Handy steckte ich wieder weg, nachdem ich Kikwang in meine Kontaktlise eingespeichert hatte.
Ich sollte heim gehen. Minyoung würde sicher schon auf mich warten.
Aus Versehen hatte ich ihr gestern Abend versprochen heute das Mittagessen zu kochen. Deswegen war ich auch in der Stadt. Nur war ich auch noch in Modegeschäfte gegangen, anstatt gleich wieder heim zu gehen, als ich die Lebensmittel hatte.
„Was machst du heute noch?", fragte Minyoung mich mit vollem Mund.
Etwas angewidert verzog ich das Gesicht. Ich hätte gut darauf verzichten können den Inhalt ihres Mundes zu sehen.
„Nochmal in die Stadt gehen", murmelte ich.
„Mit wem?"
„Mit niemanden."
„Willst du mich auf den Arm nehmen? Als ob du alleine in die Stadt gehen würdest!"
Ich rollte mit den Augen und stand auf um meinen Teller wegzuräumen. Was war daran so unglaubwürdig? Konnte ich nicht auch mal alleine in die Stadt gehen?
Nur weil ich so gut wie keine Freunde hatte, hieß das nicht, dass ich nicht auch alleine aus dem Haus ging. Obwohl, ich ging nie aus dem Haus.
Eigentlich nur, wenn Minyoung mich mit zu einer Party schleppte.
Aber heute hatte ich wirklich vor alleine in die Stadt zu gehen. Ich brauchte neue Winterklamotten und wollte es heute erledigen, auch wenn es noch ein paar Monate dauerte bis es Winter war. Außerdem brauchte ich etwas Ablenkung.
„Soomin, ich rede mit dir!"
Erschrocken zuckte ich zusammen.
„Schrei doch nicht gleich so!", fauchte ich sie wütend an und bedachte sie mit einem verärgerten Blick.
„Wenn du mir nicht zuhörst... Außerdem wäre es nett, wenn du mir einmal im Leben zuhörst!"
Toll.
Jetzt war sie beleidigt. Ich stöhnte und räumte auch ihren Teller auf. Minyoung sah mich nicht an, sondern musterte die Blumenvase auf dem Tisch, die ja so unglaublich interessant war.
Als ich ihren Teller weggeräumt hatte, wartete ich noch kurz.
Vielleicht sagte sie ja noch was.
Eine Minute später hatte sie immer noch nicht den Mund aufgemacht, weswegen ich die Küche verließ und in mein Zimmer ging. Die Tür schloss ich vorsorglich hinter mir ab. Das machte ich immer. Schon als Kind hatte ich das gemacht. Es war ein Tick von mir.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und schaltete meinen Laptop ein. Es dauerte nicht lange. Aufgeregt checkte ich meine E-Mails, nur um kurz darauf enttäuscht aufzustöhnen. Keine Rückmeldung. Und das seit über drei Wochen.
Frustriert raufte ich mir die Haare und klappte den Laptop etwas zu fest zu. Langsam aber sicher war meine Geduld weg. Normalerweise hätte sich doch schon eine der Praxen, bei denen ich mich beworben hatte, melden müssen.
Vielleicht hatten sie ja einen Brief mit der Post geschickt.
Kaum war mir dieser Gedanke gekommen, sprang ich auch schon auf, rannte durch die halbe Wohnung und dann die Treppen im Treppenhaus runter. Den Schlüssel für den Briefkasten hatte ich natürlich auch eingesteckt.
Minyoung sah nie nach, ob etwas im Briefkasten lag. Das machte ich immer.
Sie kümmerte sich meistens um die Wohnung, hielt alles sauber.
Hektisch fummelte ich am Schlüsselbund rum. Es dauerte länger als normal, bis ich den richtigen Schlüssel hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich sowohl nervös als auch aufgeregt war.
Als ich den Briefkasten öffnete, sprang mir fast schon ein Haufen an ungeöffneten Briefen entgegen. Zittrig nahm ich die Umschläge heraus und schaute mir jeden einzelnen genau an.
Rechnungen und auch Werbebriefe waren darunter, aber keine Annahme von irgendeiner Praxis.
Enttäuscht seufzte ich auf.
Wieso meldete sich keiner?
Meine Noten waren gut, sogar sehr gut. Auch wenn wahrscheinlich mehr als die Hälfte der anderen Bewerber genau so gute Noten wie ich hatten. Eigentlich war es wie ein Glücksspiel. Wenn man Glück hat, wird man angenommen und wenn man Pech hat eben nicht.
Was sollte ich machen, wenn mich keiner annahm?
Ich wollte nicht in einem Laden als Aushilfekraft arbeiten. Ganz sicher nicht.
Das hatte ich schon einmal getan und es war einfach grauenvoll gewesen. Genau deswegen hatte ich auch momentan keinen Nebenjob. Während andere Studenten nebenher arbeiteten und sich die Nächte um die Ohren schlugen, weil sie sonst keine Zeit zum Lernen hatten, konnte ich noch zwischendurch was mit Freunden unternehmen.
Allerdings war mir das nur möglich, weil meine Familie ziemlich wohlhabend war. Meine Eomma hatte einen guten Job und mein Appa schickte uns monatlich genügend Geld. Außerdem waren meine Großeltern auch nicht gerade arm. Sie wohnten übrigens in Busan.
Früher hatten auch Eomma und ich noch dort bei ihnen gelebt. Mein Appa wollte unbedingt nach Seoul, weil er dort ein Jobangebot bekommen hatte.
Auch wenn Eomma versucht hatte, meine Großeltern zum Mitkommen zu überreden, hatten sie sich geweigert. Sie lebten schon ihr ganzen Leben dort und würden nie wegziehen.
Ältere Menschen waren nun mal etwas eigen.
Ich zuckte zusammen, als mein Handy zu klingeln begann. Als ich es in der Hand hatte und auf das Display sah, runzelte ich die Stirn.
Jemand rief mich unterdrückt an.
Sollte ich rangehen oder denjenigen wegdrücken?
Ich entschied mich für letzteres. Das Handy behielt ich weiter in der Hand, als ich mit dem Stapel an Briefen wieder die Treppen zur Wohnung hochging. In der Wohnung angekommen, legte ich die Briefe auf den Küchentisch und verschwand dann wieder in mein Zimmer.
Minyoung hatte sich in ihr eigenes Schlafzimmer verkrochen. Ihre Türe war zu, was sonst nie der Fall war. Außer sie war wütend oder wollte ihre Ruhe haben.
In diesem Fall was sie wohl wütend auf mich.
Um die Briefe würde ich mich morgen kümmern. Heute fehlte mir dazu die notwendige Geduld.
Ich ließ mich gerade auf mein Bett sinken, als mein Handy schon wieder anfing zu klingen. Genervt stöhnte ich auf, als schon wieder jemand unterdrückt anrief.
Wer zur Hölle war das?
Konnte ich nicht einmal meine Ruhe haben?
Sauer hob ich dann doch ab, um demjenigen meine Meinung zu sagen.
„Wenn ich beim ersten Mal schon nicht abnehme, dann-"
„Ich bin's."
Mein Herz setzte aus, schlug dann ungesund schneller weiter. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich vor mich hin, konnte nicht glauben, wer da am anderen Ende der Leitung war.
Ich hatte nicht gedacht, dass er sich wieder meldete. Dass ich überhaupt jemals wieder etwas von ihm hörte. War auch kein Wunder bei dem Abgang, den er hingelegt hat.
„Junhyung...", flüsterte ich ungläubig.
„Hast du Zeit? Können wir uns in dem Café treffen?"
Mein Kopf war leergefegt. Keine Gedanken wirbelten durcheinander, wägten ab ob ich zustimmen sollte oder nicht. Es war seltsam. So war es mir noch nie gegangen. Nicht wegen einem Mann.
„Ja."
Mein Mund hatte sich selbstständig gemacht. Ich hätte die Worte nicht aufhalten könne, selbst wenn ich gewollt hätte. Es fühlte sich so an, als hätte ich keinerlei Kontrolle mehr über mich.
War es normal, dass ich so überrascht wegen seinem plötzlichen Anruf war?
Eher nicht.
„Gut. Dann sehen wir uns, sagen wir, in einer halben Stunde?", wollte er sich noch einmal versichern, obwohl ich längst zugestimmt hatte.
„Okay", gab ich tonlos zurück.
Ehe Junhyung noch etwas sagen konnte, hatte ich aufgelegt. Leben kam wieder in mich. Geschockt betrachtete ich mein Handy und konnte nicht fassen, dass ich einfach so zugestimmt hatte. Auch wenn ich dachte, dass ich Schuld an seiner Flucht war, sollte ich sauer auf ihn sein.
Es war unhöflich einfach so abzuhauen. Junhyung wusste das selber bestimmt auch.
Vielleicht wollte er ja mit mir darüber reden und sich erklären.
Besser wäre es.
Meine eigentlichen Pläne für heute konnte ich wohl vergessen.
„Wer war das?"
Erschrocken fuhr ich herum, nur um in das neugierige Gesicht meiner Freundin zu sehen.
„Niemand", sagte ich, merkte jedoch selbst, dass man hörte, dass ich log.
„Ich wette es ist Mr. Unbekannt gewesen", grinste Minyoung und kam mir etwas näher.
Ich rollte mit den Augen.
„Ich muss mich fertig machen", gab ich kurz angebunden von mir und drehte mich von ihr weg.
„Soomin..."
Fragend sah ich sie an, wandte mich ihr doch wieder zu.
„Ich weiß, dass es dir nicht gut geht, weil du keine Annahme bis jetzt bekommen hast. Mir tut es leid, dass ich vorhin so reagiert habe. Ich hab dich damit nur noch mehr belastet."
Schuldbewusst sah sie mich an, biss nervös auf ihrer Unterlippe herum. Leise seufzend umarmte ich sie kurz.
„Ist schon okay", flüsterte ich leise, „kannst du mir helfen was zum Anziehen rauszusuchen?"
„Also doch ein Date mit Mr. Unbekannt! Ha! Ich wusste es!"
Wie als hätte sie irgendwas gewonnen, streckte Minyoung die Faust in die Luft und sah mich überlegen an. Ich rollte mit den Augen. Das war so typisch sie. Minyoung liebte es recht zu haben.
„Wie wär's mit einem Kleid? Oder doch eher eine Bluse?"
Ich antwortete nicht. Es war nicht notwendig. Minyoung hatte sich schon längst auf meinen Kleiderschrank gestürzt und durchwühlte diesen jetzt.
Sofort bereute ich es sie gefragt zu haben.
Ich würde das hier nicht überleben, schätzte ich mal.
Ganz toll.
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