Punschprinz und Plätzchendieb
Manchmal sind es nicht die Geschenke oder die Lichter, die Weihnachten magisch machen – sondern die Menschen, die uns das Gefühl geben, zu Hause zu sein.
Die Winterluft war klar und so kalt, dass sie die Haut wie kleine Nadelstiche spürbar machte. Nebel wogte vor Mündern wie kleine, flüchtige Geister, während der Weihnachtsmarkt vor ihnen in einem Labyrinth aus Lichtern, Düften und Menschenflüstern lag. Linus zog seinen Schal fester um den Hals und schnaubte.
„Du bist wirklich eine Frostbeule", neckte Finn, der ihm mit einem dampfenden Becher Punsch in der Hand entgegenkam. Der Duft von Zimt und Orangen stieg dem Braunhaarigen in die Nase, und er konnte nicht anders, als zu lächeln.
„Das kommt von jemandem, der heute Morgen Tannenbaum als Outfit-Motto durchgehen ließ", konterte Linus mit einem Seitenblick auf Finns grünen Mantel und die goldenen Pailletten auf seinem Schal.
Finn grinste nur und hielt ihm den Becher hin. „Hier. Für dich, mein kleiner Punschprinz."
„Punschprinz? Wirklich?" Linus rollte mit den Augen, nahm den Becher aber dankbar entgegen. Die warme Flüssigkeit rann seine Kehle hinab und ließ die Kälte in seinen Fingern ein wenig weichen.
„Ich dachte, der Spitzname würde dir gefallen. Passt doch perfekt."
„Vielleicht eher zu dir."
Finn zuckte mit den Schultern und schwenkte seinen eigenen Becher. „Dann bin ich der Punschkönig. Klingt sowieso besser."
Sie schlenderten weiter über den Markt. Überall schimmerten Lichterketten, und die kleinen Holzbuden sahen aus wie etwas aus einem Märchenbuch. Kinder lachten, Glöckchen klingelten, und der Duft von frisch gebackenen Plätzchen lag schwer in der Luft.
„Du bist ein Plätzchendieb", sagte Linus und hielt inne, um Finn einen scharfen Blick zuzuwerfen und anklagend mit dem Finger auf den Blonden zu ziegen. „Ich habe genau gesehen, wie du bei der letzten Hütte nach dem Probieren einfach einen zweiten Keks eingesteckt hast."
„Das nennt man taktische Dessertoptimierung", entgegnete Finn grinsend und schob sich demonstrativ ein kleines, sternförmiges Plätzchen in den Mund. „Du solltest dankbar sein, dass ich die Qualität teste."
„Dankbar, weil du die Bäcker ausplünderst? Absolut."
Linus schüttelte den Kopf, doch auch er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Die warme Atmosphäre des Marktes und Finns unnachgiebiger Humor ließen den kalten Wind und die düstere Winterdämmerung wie eine entfernte Erinnerung wirken.
Als sie an einer kleinen Schlittschuhbahn vorbeikamen, blieben sie stehen. Kinder drehten wacklige Runden, von ihren Eltern begleitet, während ein älteres Paar in gemächlichem Takt an ihnen vorbeigleitete, Hand in Hand, die Gesichter rosig vor Kälte.
„Das sieht irgendwie schön aus", murmelte Linus.
„Oh nein", sagte Finn mit gespieltem Ernst. „Du denkst doch nicht etwa, dass ich mit dir Schlittschuh laufen werde?"
„Ich hab nichts gesagt." Linus' Mundwinkel zuckten. „Aber jetzt, wo du's erwähnst ..."
Finn tat, als würde er fliehen, doch Linus packte ihn am Ärmel. „Komm schon, Punschkönig. Keine Ausreden."
Nach einigem Protest, begleitet von Linus unermüdlicher Überredungskunst, fanden sie sich schließlich auf der Eisfläche wieder. Der Braunhaarige wackelte unsicher, hielt sich an der Bande fest und warf Finn einen scharfen Blick zu, als der begann, mühelos über das Eis zu gleiten.
„Du hast gesagt, du kannst das nicht!" rief Linus, der sich an die Bande klammerte, empört.
„Ich hab gesagt, ich mag es nicht besonders. Das ist ein Unterschied." Finn zog eine kleine Pirouette, sichtlich zufrieden mit sich selbst.
„Du bist schrecklich."
„Und trotzdem bist du hier." Finn hielt an und streckte ihm die Hand entgegen. „Na los, ich fang dich auf, falls du fällst."
„Großartig. Darauf kann ich mich bestimmt verlassen."
Doch Linus nahm die Hand. Gemeinsam tasteten sie sich über das Eis, Linus' Bewegungen wurden langsam sicherer, und irgendwann – vielleicht wegen Finns unerschütterlicher Geduld, vielleicht wegen des leisen Lichts der Marktbeleuchtung – fühlte er sich ein kleines Stück mutiger.
„Siehst du, gar nicht so schlimm, oder?" Der Blondschopf grinste.
„Ich hasse dich ein bisschen weniger", gab Linus zu, bevor sein Blick plötzlich ernst wurde. „Aber wenn du mich fallen lässt, wirst du bis ans Ende deines Lebens nur noch als Vixxen das Rentier bekannt sein."
„Vixxen? Was soll das denn heißen?"
„Das ist eins der Rentiere von Santa Claus, du Banause. Lässt immer die anderen im Stich. Passt perfekt zu dir."
Finn tat so, als wäre er empört, doch sein Lachen hallte über die Eisbahn und ließ selbst die Kälte ein wenig milder erscheinen.
„Ach, ist das so. War das Rentier nicht eigentlich schlau, geschickt und charmant. Sowie immer bereit, den Weihnachtsmann durch schwierige Wetterlagen zu navigieren?"
Linus schüttelte leicht grinsend den Kopf.
„Da musst Du Dich wohl irren."
Später, als sie sich mit dampfendem Kakao wieder an den Rand des Marktes setzten, fielen die ersten Schneeflocken vom Himmel. Sie glitzerten im Licht der Lampions und verwandelten die Welt in einen Ort, der fast zu schön schien, um echt zu sein.
„Weißt du", begann Finn und zog seine Weihnachtsmütze tiefer über die Ohren, „so kitschig das jetzt auch klingt – das ist der schönste Abend, den ich seit langem hatte."
Der Brünette sah ihn an, überrascht von dem plötzlichen Ernst in Finns Stimme. „Meinst du das wirklich?"
Finn nickte. „Ich mein, wir haben Plätzchen gegessen, uns auf dem Eis blamiert und dazu noch den besten Glühwein gefunden. Was will man mehr?"
Linus lachte leise, spürte aber, wie sich etwas Warmes in seiner Brust ausbreitete. „Du bist wirklich hoffnungslos romantisch, weißt du das?"
„Und du bist hoffnungslos süß, wenn du lachst", entgegnete Finn, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen.
Für einen Moment waren es nur sie beide, während die Welt um sie herum still und zauberhaft blieb.
Die Schneeflocken tanzten weiter, der Kakao wurde kalt, doch keiner von ihnen machte Anstalten, aufzustehen. Denn hier, unter den Lichtern des Marktes, war die Weihnachtszeit plötzlich alles, was sie sich jemals gewünscht hatten.
[904 Wörter]
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