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"Da bist du ja wieder, Junge-dessen-Namen-ich-immer-noch-nicht-kenne." wie schon letztes Mal triefte die Stimme seines Gegenübers nur so vor Ironie und doch fühlte sie sich warm an auf Jimins Haut. So wie ein Sonnenstrahl, der sein Gesicht erwärmte.

Jimins Mundwinkel zogen sich leicht nach oben, bevor er sich seiner Umgebung bewusst wurde und sein Lächeln urplötzlich erstarb.

So als hätte er sich eines besseren belehrt, setzte er eine ausdruckslose Miene auf und räusperte sich, um den Kloß in seinem Hals zu lockern.

"Was machst du hier?" fragte er, ohne sich zu jeglicher Freundlichkeit in der Stimme zu zwingen und ließ seinen Blick über das Gesicht des Grünhaarigen gleiten.

Es war unversehrt und wies keine Spuren eines Kampfes auf, was Jimin zufrieden aufnahm.

Trotzdem war er sich sicher, dass er sich die Geräusche nicht eingebildet hatte und hier etwas ganz und gar nicht stimmte.

Die bloße Anwesenheit des Größeren war für Jimin ein Zeichen, dass etwas los war, denn wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass er ihn hier zufällig antraf?

"Ich stehe hier nur." erwiderte der andere und zuckte mit den Schultern.  Doch diese lässige Geste nahm er ihm ganz und gar nicht ab.

Er hatte ihn schon beim Sprayen erwischt und traute ihm wohl oder übel auch eine Prügelei zu.

"Darf ich mal vorbei?" er ignorierte die ausweichende und doch passende Antwort des Jungen und ging gleich über zur nächsten Frage.

Es war ihm bewusst, dass er auch einfach so hätte gehen können, doch er wollte dem Kriminellen zeigen, dass er sich jetzt der Sache annehmen würde und dass er, wenn er etwas zu beichten hatte, es jetzt tun sollte.

Trotz der klaren Bitte, bewegte sich der Junge mit den auffälligen Haaren keinen Zentimeter weiter und legte eine nichtsahnende Miene auf, die Jimin an den Nerven zerrte.

Der Dunkelhaarige entschied sich noch dazu, dem anderen wenige Sekunden Bedenkzeit zu geben, bevor er sich notgedrungen einen Weg durchbahnen musste.

Jedoch musste auch er sich eingestehen, dass seine Mission mit jeder vergangenen Minute unklarer wurde und wie eine Seifenblase vor ihm herumschwirrte, bis sie irgendwann drohen würde zu zerplatzen.

"Hast du mich nicht gehört?" man konnte dem Kleineren deutlich anhören wie unsicher er war und doch behielt der andere seinen eisernen Gesichtsausdruck bei und dachte gar nicht daran den Platz zu räumen.

Er konnte praktisch schon die Stimme seines Vaters hören: Wieso hast du dich dermaßen in Gefahr gebracht? Weißt du nicht was hätte passieren können?

Und trotzdem sah er nur einen Weg für sich und dieser ging geradeaus, vorbei an dem Jungen, bis hinter diese Ecke, wo er hoffte nichts Besorgniserregendes zu finden.

Er ließ seinen Blick zurück zu seinem Gegenüber schweifen und musterte dessen Erscheinung.

Der Junge trug einen weiten Kapuzenpullover, bei dem Jimin schon beim bloßen Anblick der Schweiß lief und ebenfalls eine dunkle Hose und Schuhe, die die Sonnenstrahlen anziehen mussten wie Bienen von einer prächtigen Blume angelockt wurden.

Obwohl Jimin Besseres zu tun hatte, kam er nicht daran vorbei, sich zu fragen ob der Junge unter den ganz und gar nicht eng anliegenden Kleidungsstücken etwas zu verbergen hatte und ob dies eine potentielle Gefahr für Jimin darstellen könnte.

Unauffällig ließ er seinen Blick zu den Händen des Jungen, die er in seinen Jackentaschen vergruben hatte, schweifen und musste bei seinen Gedanken schlucken.

Die Taschen waren groß genug für ein Klappmesser oder eine scharfe Glasscherbe, bei der sich der Dunkelhaarige gar nicht vorstellen wollte, was diese anrichten könnte.

Angespannt wechselte er sein Handy von einer in die andere Hand und ließ seinen Blick rastlos durch die Gegend wandern, um seine ganzen Möglichkeiten durchzugehen.

Bis auf seinen Rückweg gab es keine Fluchtmöglichkeit und so wuchs die Unruhe, die sich in Jimins Brust ausbreitete.

"Was ist los, Mann?" erwiderte der Größere nach einer gefühlten Ewigkeit und musterte Jimin mit zusammengekniffenen Augen. Er konnte den Druck, der auf den beiden Jungen lastete, genauso spüren wie Jimin selbst, doch schien er damit anders umzugehen.

Anders als der Dunkelhaarige, der mit jeder vergangenen Sekunde nervöser wurde, schien sich der Größere nicht von der unangenehmen Angelegenheit einschüchtern zu lassen.

Trotz seiner Angst, die Jimins Gedanken ihm eingeflößt hatten, ließ er sich jedoch nicht beirren und dachte an sein Ziel und daran, dass nur ein mickriger Junge, wie Jimin ihn sich in seinen Gedanken zurecht machte, ihn davon trennte.

So stieß er heiße Luft aus seiner Nase und kreiste die Schultern, womit er versuchte bedrohlich und gefährlich zu wirken, was sein Gegenüber vollkommen kalt ließ.

"Dasselbe könnte ich dich fragen." er wählte extra eine Tonlage tiefer und sprach die Wörter gewählt und ruhig aus. Er war selber so überrascht wie gut ihm das gelang, dass er sich am liebsten auf die Schulter geklopft hätte und gelobt hätte.

"Ich bin hier nur zufällig vorbei gekommen." das Signal war bei dem Größeren wohl angekommen, denn plötzlich hatte er sich dazu entschieden, zu sprechen.

Jimin war sich so sicher gewesen, dass er hätte argumentieren müssen oder sogar handgreiflich werden müssen, dass ihn diese unerwartete Antwort perplex zurück ließ.

Das zeigte ihm jedoch nur umso mehr wie gefährlich dieser Junge war, denn es hatte ihm ein Gefühl von Sicherheit gegeben, dass der Grünhaarige so vorhersehbar war und nun, da ihm das genommen wurde, fühlte er sich noch angespannter als er es schon war.

Trotz seines rasenden Herzes zwang er sich dazu, ruhig zu bleiben und sich nicht weiter durch unnötige Gedanken zu hetzen "Okay, es war schön dich wieder zu sehen.".

Obwohl er hätte das Gegenteil behaupten können, wollte er dem Jungen keinen Grund für einen Wutanfall geben und wollte die Sache lieber schnell vom Tisch haben.

Er hätte schon längst um die Ecke verschwunden sein können und stattdessen hatte er sich seit 5 Minuten schweigend mit seinen furchteinflößenden Ideen beschäftigten, die weitaus schlimmer waren als alles, was ihm jemals widerfahren war.

Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte Jimin sich in Bewegung und machte Anstalten an dem Jungen vorbeizugehen, als er plötzlich dessen Hand auf seinem Brustkorb spürte und am Weitergehen gehindert wurde.

Sich unangenehm fühlend trat er einen Schritt zurück und starrte sein Gegenüber erwartend an, wobei er immer noch dessen Berührung spürte.

Langsam ließ er seinen Blick auf die ausgestreckte Hand des Jungen wandern, woraufhin dieser mit einem Rückzug reagierte und ebenfalls etwas Abstand zwischen sie brachte.

"Ist noch etwas?" stieß Jimin ungeduldig aus und schielte unauffällig hinter den Erbsenkopf, welcher wohl nicht vorhatte, sich vom Fleck zu bewegen oder Jimin in einer anderen Weise Platz zu machen.

Dieser ließ nun ebenfalls seinen Blick in der Umgebung umher kreisen und räusperte sich, bevor er antwortete "Ich möchte dich besser kennenlernen.".



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