Kapitel 47

Farben. Viele verschiedene Farben in allen Formen und Größen. Rot, blau, gelb, grün, lila, pink. Ich träumte. Ich wusste, dass ich träumte. Doch ich schlief nicht. Ich lag auf der Krankenstation, jeweils zwei Zwerge rechts und links standen neben mir und ließen ihre flinken Hände über meine Flügel gleiten. Sie heilten sie und ich gab ihnen die Kraft. Doch je mehr Kraft sie benötigten, desto heller wurden die vielen freundlichen Farben. Meine Glieder wurden schwerer und schwerer. Magie floss aus mir heraus. Gelbe, rote und grüne Dreiecke. Sie waren wunderschön. Mein linkes Bein erschlaffte. Blaue, lilane und braune Kreise. In Gedanken fing ich sie ein, verschmolz mit ihnen. Und sie wurden immer heller und heller, immer kräftiger und kräftiger. Wie viele, viele Sterne, die am nachtblauen Himmel glitzerten. Ich wollte mit ihnen zusammen sein. Sie riefen mich zu sich. Ich müsste einfach nur meine Hand ausstrecken und.....
"Alisha! Alisha, wach auf!"

Ruckartig schlug ich die Augen auf und schüttelte die furchtbaren Gedanken aus meinem Kopf.
"Alisha, geht es dir gut?"

Nelios besorgte Stimme riss mich nun endgültig aus den Träumen.

Ich schaute ihn aus meinen smaragdgrünen Augen an. "Ob es mir gut geht?"
Ich warf einen Blick auf meine Flügel. Sie waren wieder ganz strahlten in neuer Pracht. Eine Woge der Erleichterung rollte über mich hinweg und ich sprang von der Arbeitsfläche und schlug aufgereg mit den Flügeln.
"Es geht mir besser als gut! Es geht mir fantastisch! Ihr habt es geschafft."

Die Zwerge lächelten. "Eigentlich hast du es geschafft."

Doch das hörte ich nicht mehr. Ich stürmte aus dem Zimmer, Nelio hinter mir her. Die neuen Häute mussten ausprobiert werden! Vergnügt schlitterte ich bis zum Rand des Turmes und schaute hinunter. Philo, Draco und Dako standen mit dem Rücken zu mir und unterhielten sich. Diese Chance nutze ich, schwang mich über das Geländer und sprang. Voller Freude brüllte ich, als ich die Flügel ausbreitete und über die Köpfe der Zwerge hinweg donnerte. Einige schrien erschrocken auf, doch das interessierte mich nicht. Zu sehr war ich begeistert wieder Fliegen zu können.
Ich schoss an der Ecke empor, wirbelte dreimal im Kreis, ließ mich fallen, breitete die Flügel knapp über dem Boden wieder aus und schraubte mich erneut in die Höhe. So viel Spaß hatte ich seit langem nicht mehr.
Nelio winkte mich schließlich herbei und ich landete nach ein paar Drehungen bei ihnen.
"Hey Alisha", meinte Draco und grinste. "Hast du nicht irgendetwas vergessen?"

Ich wandelte zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. "Nein. Ich denke nicht."

"Bist du sicher?" Sein Grinsen wurde immer breiter.

"Ja, ich bin relativ sicher!"

"Und was ist mit Ogrem?"

Ich ließ die Arme sinken und biss die Zähne zusammen. "Verdammt! Wo liegen die Traningsplätze? Ich war mit ihm heute Morgen verabredet!"
Dako runzelte die Stirn. "Die Trainingsplätze liegen am anderen Ende der Halle. Aber es ist Abend. Bist du nicht etwas zu spät dran?"

"Etwas?" Ich knirschte mit den Zähnen. "Ich bin fast zehn Stunden zu spät!"
Ich wandelte zurück zum Drachen, holte Schwung und stieß mich ab. Wie ein Pfeil schraubte ich mich voran auf die gegenüberliegende Seite. Etwas ungeschickt landete ich auf dem weichen Rasen und rannte auf die kämpfenden Zwerge zu. Mitten unter ihnen entdeckte ich Ogrem, der schnell wie der Blitz verschiedene Schlagabtausche mit seinem Partner übte. Eine Weile sah ich ihm dabei zu, doch als er schließlich verschwitzt seine Waffen beiseite legte, gesellte ich mich zu ihm. "Hey Ogrem.", begann ich freundlich und lächelte. "Du kannst super mit deiner Axt umgehen. Ich habe dir gerade zugeschaut."
Dann knirschte ich verlegen mit den Zähnen."Tut mir leid wegen heute Morgen, aber ich..."

"Mit wurde von deinen Flügeln bereits berichtet und wie ich vorhin gesehen und gehört habe, geht es ihnen wieder besser. Das freut mich."

Ich atmete erleichtert auf.

"Weißt du, ", fuhr er fort, "Jetzt am Abend ist sowieso weniger los. Komm mit!"
Er führte mich auf einen großen Platz mir weichem Rasen. Dann drückte er mir eine Axt in die Hand. "Versuch mal damit das Ziel da vorn zu treffen! Die Axt ist die meist benutzte Waffe der Zwerge, vielleicht ist sie ja auch deine Waffe."

Ich musste den schweren Holzgriff mit den flachen Eisenblatt in beiden Händen halten und überlegte, wie die kleinen Zwerge dieses monströse Ding hielten. Dann musterte ich die schwarze Zielscheibe, holte aus, zielte und warf mit aller Kraft. Die Axt donnerte zwei Meter vor dem Ziel in den Boden. Frustriert riss ich sie aus der Erde und warf noch einmal, doch wieder landete sie nicht auf der Scheibe. Hinter mir spürte ich Philos und Dracos lachende Blicke und ich ließ die Axt mit einem Fingerklacken in meine ausgestreckte Hand fliegen.
"Vielleicht ist das nicht so deine Waffe", meinte Ogrem nachdenklich. "Probiere es mal mit etwas leichterem. Hier."

Er nahm mir die Axt aus der Hand und drückte mir stattdessen ein großes Messer in die Finger. Ich wiegte es hin und her, schätzte die Entfernung zwischen dem Ziel und mir ab und warf die Klinge dann. Sie streifte die Scheibe, flog dann aber vorbei und blieb dahinter liegen. "Das ging schon besser.",murmelte ich und schnippte mit den Fingern. Das Messer flog genau wie die Axt vorhin, mit dem Griff nach vorne in meine Hand. Ogrem schaute auf die Stelle, auf der das Messer noch vor wenigen Sekunden steckte. "Weißt du", bemerkte er, "du hättest es auch einfach holen können anstatt zu....zaubern?"
Ich blickte ihn mit schräg gelegten Kopf an. "Warum sollte ich, wenn das viel einfacher ist?"
Hinter mir lachten Draco und Philo wieder, Ogrem nickte nur verständnisvoll und ich übte weiter Messerwerfen. Doch auch wie vorhin merkte ich, dass das nicht meine Waffe war. Trotz der Tatsache, dass die Klinge leichter war, traf ich die Zielscheibe nur ein einziges Mal, und das am Rand.
"Vielleicht ist das auch nicht so eine gute Idee mit dem Messer. Probier mal den Bogen", riet der Zwerg und gab mir Pfeile und einen Langbogen, doch auch das ging daneben. "Fernkampfwaffen liegen dir anscheinend nicht so. Wir sollten besser beim Nahkampf bleiben. Schließlich hast du ja auch noch deine Magie. Komm mit."

Er marschierte auf eine kleine Holzhütte zu und schloss die Tür sanft wieder als wir drinnen waren. Hier roch es nach Metall und Öl und Fett. Klingen und Waffen aller Art und Größe hingen ordentlich aufgereiht an der Wand und spiegelten im hellen Licht der Lampe. Ich staunte über die vielen verschiedenen Schwerter und fragte mich wie ich hier das Richtige finden sollte. Ogrem lehnte sich an die Wand und deutete mit dem Kopf auf die Regale. "Nur zu. Probier sie aus."

Ich ging durch die Reihen und betrachtete die Klingen. Die meisten von ihnen hatte ich noch nie gesehen. Ich nahm ein großes Schwert mit gebogenen Griff in die Hand und stellte fest, dass es verdammt schwer war.
"Das ist eine Machete. Allerdings benutzen das normalerweise nur sehr kräftige Lebewesen. Für dich dürfte sie zu schwer sein."
Ich nickte zustimmend und hängte die Machete unter Ächzen wieder an ihre Platz zurück.

Eine halbe Stunde verging und mittlerweile glaubte ich jede Waffe ausprobiert zu haben, doch nie war die Richtige dabei. Ich begann mich langsam zu fragen, ob ich jemals ein Kämpfer wie Dako oder Draco werden konnte. Vielleicht sollte ich nur mit Magie kämpfen.
Trotzdem müsste ich doch irgendeine Waffe finden. Mittlerweile war ich am letzten Regal angelangt, und wieder sah ich die vielen Schwerter zum aller ersten Mal. Ich begann mich schon zu ärgern, meine Zeit hier unnötig verschwendet zu haben, bis ich die schwarze Klinge entdeckte. Sie war eher etwas kleiner, doch die Schneide war scharf, obwohl meterweise Staub darauf lagen. Vorsichtig nahm ich sie in die Hand und wiegte sie hin und her. "Hey Ogrem. Was ist das hier?"

Ogrem huschte hinter einem Regal hervor, nahm mir das Schwert aus der Hand und betrachtete es eingehend. Seine Stirn legte sich in Falten. "Das ist ein Säbel. Eine Piratenwaffe. Aber warum, die Klinge so schwarz ist, kann ich dir nicht erklären. Vermutlich gehörte sie mal einem Anführer."

Er gab mir das Schwert wieder zurück. "Mit Säbeln kämpfen wir nicht, aber wenn das deine Waffe werden soll, könnte ich dir den Umgang trotzdem versuchen, beizubringen, wenn du möchtest?"

Ich legte den Kopf schräg. Irgendwo her, hatte ich sie schon einmal gesehen, dennoch konnte ich mich nicht mehr daran erinnern. Also nickte ich und die Tür fiel krachend ins Schloss, nachdem wir die Hütte verlassen hatten.
"Was jetzt?", fragte ich Ogrem neugierig, als er sein Schwert aus dem Gürtel zog.
"Jetzt", antwortete er mit einen selbstgefälligem Grinsen, "fordere ich dich heraus."

Ich blickte ihn an, schaute auf den Säbel in meiner Hand, blickte ihn wieder an.
"Bitte?"

Ogrem machte einen Schritt nach vorne und schwang sein Schwert. Ich stolperte vor Überraschung einen Schritt rückwärts und hob eher aus Reflex den schwarzen Säbel. Die Klingen prallten aneinander und rutschten ab, doch Ogrem wirbelte sie erneut hoch und drosch auf mich ein.
Notgedrungen wich ich aus und blockte die meisten Schläge, doch Ogrem war schneller und besser.
Ich kam kein einziges Mal zum Gegenschlag.
Mein Säbel flog in hohem Bogen durch die Luft und blieb im Boden mehrere Meter entfernt stecken. Der Zwerg lächelte siegessicher und trat mir die Beine weg, sodass ich stürzte. "Hey", japste ich überrascht und schnaubte frustriert. "Das ist nicht fair"

Ogrem hob das Schwert. Die Schwertspitze zielte direkt auf meinen Bauch.
Ich wusste nicht, ob er es wirklich in mich hinein rammen wollte, vermutlich nicht. Vermutlich hätte er im letzten Moment gestoppt, doch daran dachte ich natürlich nicht in diesem Moment. Kurz nachdem der Zwerg seine Hände hinabsenkte, wölbte sich eine blau glühende Oberfläche über meinen Körper. Die Klinge prallte am magischen Schild ab, es gab ein Zischen, und sie wurde zurückgeworfen und riss Ogrem mit nach hinten. Ich blinzelte zweimal überrascht und wischte den Schutzschild mit einer lockeren Handbewegung weg. Dann stand ich auf, die Schattenbänder glühten kurz, bevor sie wieder verblassten. Ogrem rührte sich nicht. Ich erschrak und kniete mich zu ihm auf den Boden. "Hey, ist alles in Ordnung? Es tut mir leid, ich habe das nicht mit Absicht gemacht. Mein Körper hat so reagiert...Ich hab das nicht mit Absicht gemacht."
Ogrem schüttelte sich zweimal, bevor er sich aufrichtete. Seine Haare standen zu Berge und sein Schwert war leicht angekoht.
"Wow. Was war das denn gerade? Es war ziemlich heiß.",stellte er nachdenklich fest und versuchte seine Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Philo und Draco joggten zu uns hinüber und starrten erst Ogrem, dann mich, verblüfft an. "Was hast du denn gemacht? Hast du ihm einen Stromschlag gegeben?", fragte Philo und lachte, doch ich fand das gar nicht komisch. "Ich hab sie nicht unter Kontrolle", murmelte ich leise, nachdem der Zwerg die Trainingsstunde beendet hatte und versprach, den Säbel sauber zu machen.
Draco musterte mich. "Bitte?"
"Meine Magie, ich hab sie nicht unter Kontrolle. Sie ist zu stark und brodelt da drin und sucht nur eine Gelegenheit auszubrechen!" Ich tippte mit dem Finger auf meinen Bauch und seufzte. Philo legte mir eine Hand auf die Schulter. "Dann sei stärker. Krieg sie in den Griff. Konzentriere dich mehr"

Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse, nickte aber.
Nelio kam um die Ecke und schnaubte völlig außer Atem. "Hier seid ihr. Ich hab euch schon gesucht!"
In seiner Hand hielt er drei lederne Arbänder und drückte jedem von uns eins in die Hand. "Was ist das?", fragte ich neugierig und betrachtete es vorsichtig. Auf jedem Armband glitzerte ein runder Stein in einer anderen Farbe. Auch Nelio trug so eins, sein Diamant schimmerte silbern, Dracos blau, Philos grün, und meiner....pink.

"Warum ist meiner pink?", fragte ich empört und tippte auf den rosaroten Stein.
Nelio legte den Kopf schräg. "Das ist ein Amethyst. Er ist hellrot."
"Das ist pink und das sieht bescheuert aus. Ich will so einen wie du."
"Den Zwergen standen nur diese Kristalle zur Verfügung. Außerdem weißt du doch gar nicht, was sie können!"
"Und was können sie?"
Nelio lächelte und entfernte sich ein paar Schritte. Dann tippte er zweimal auf seinen Silberstein und sprach hinein. Verblüffenderweise hörten wir diese Worte darauf, zwar zeitlich etwas verschoben aber immer noch klar und deutlich aus unseren Diamanten.
"Cool", riefen Philo und Draco fast gleichzeitig.
Nelio kam grinsend wieder und nickte mir zu. "Und was hältst du davon. Die Zwerge haben sie extra für uns angefertigt."

Ich musterte das Armband, es passte perfekt um mein Handgelenk. Nur der pinke Amethyst störte etwas.
"Was ich davon halte? Jetzt habe ich keine ruhige Minute mehr!"

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