Das Café
Wer bist du?
Schweißgebadet und verkrallt in meine Bettdecke, schreckte ich auf. Gebannt starrte ich in die Dunkelheit. Nur ein Traum.
Äste tobten vor dem Fenster und warfen krakelige Schatten an die Decke.
Wer ich bin... Wollte mir mein Unterbewusstsein damit mitteilen, dass wenigstens eine merkwürdige, unheimliche Seite von mir wusste, was meine Bestimmung war?
Als Kind hatte ich immer davon geträumt, ein Superheld zu sein. Da dieser Wunsch nicht wahr geworden ist, gibt es keine Geheimnisse, die dieser Typ aus meinem Traum herausgefunden haben könnte. Ich war nur ein ganz normales 18 jähriges Mädchen, namens Lisa.
Und ich musste ganz dringend damit aufhören, meine Träume deuten zu wollen.
Ich strich mir eine Haarsträhne aus den Augen, gab mir einen Ruck und schwang mich aus dem Bett.
Laute Musik erfüllte die Küche. Mit der Zahnbürste im Mund, beugte ich mich über den Küchentresen und blätterte durch eine frische Zeitung.
Leute wurden mit offenem Brustkorb auf der Hauptstraße gefunden. Den Leichen fehlte der untere Rippenbogen.
Meine Nackenhaare stellten sich auf.
Vor einigen Wochen hatte das angefangen und hielt seitdem die Stadt in Atem. Erst waren nur Erwachsene ermordet worden, doch heute lächelte mich von der Titelseite ein dreizehnjähriges Mädchen mit Zöpfen und Zahnlücke an. Wenn ich sagen würde, dass mich das kalt ließ, würde ich lügen.
Ich las den halben Artikel.
Mir wurde schlecht.
Gemächlich blätterte ich zwei Seiten um, doch ich überflog lediglich die Überschriften. Sie waren langweilig.
Nachdenklich schaltete ich die Kaffeemaschine ein und ging mich im Bad fertig machen.
Kaffee? Schwarz? Mit Milch oder Zucker? Zimt vielleicht? Oder lieber Tee?
Ich kritzelte die Bestellung auf meinen Block, gab den Zettel in der Küche ab und räumte Geschirr weg. Regen prasselte gegen die großen Fenster. Vereinzelte bunte Schirme huschten draußen vorbei, während meine Socken langsam trockneten.
Das kleine Café war sehr gemütlich. Kissen lagen auf den Stühlen, der Raum war hell und freundlich. Meine Chefin war etwa fünfzig, trug gerne bunte Röcke und lachte viel. Hinter dem Tresen baute sie Marzipanfiguren für kommende Feiertage auf.
Ich balancierte Kuchen und Getränke auf meinem Tablett, süßer Duft stieg mir von den Tassen entgegen.
Eine Pause wäre jetzt schön, dachte ich und suchte nach dem richtigen Tisch.
Mein Blick schweifte aus dem Fenster. Auf der Straße leuchtete etwas rot auf. War das ein Bremslicht?
Plötzlich war es weg.
Einfach so.
Ich blinzelte. Wenn es ein Auto oder Fahrrad gewesen wäre, hätte es sich bei der Abfahrt bewegt.
"Hoppla." Vor mir saß der gesuchte Gast, ich stand nur noch Zentimeter vor seinem Tisch. Abrupt hielt ich an und lächelte ein etwas abwesendes Entschuldigung.
Ich verteilte die Getränke. War das rote Leuchten noch da? Flüchtig hob ich den Blick. Ein Blitz schoss aus den Wolken und schlug auf der Straße ein. Der grelle Strahl verband Himmel und Erde wie ein zuckendes Band.
Es krachte, fast hätte ich das Tablett fallen gelassen, um mir die Ohren zuzuhalten. Die Dame vor mir tat genau das.
In dem Moment, als der Blitz abriss und verschwand, flog die Tür auf.
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