D R E I S S I G
Hey, mal wieder ein kurzes Kapitel aus der Versenkung. Ich hatte eine OP und muss jetzt die ganze Zeit rumliegen. Vielleicht komme ich jetzt ja endlich mal weiter. Die Geschichte neigt sich langsam dem Ende zu und ich wäre ja mal unheimlich begeistert, wenn ich die letzten Kapitel nicht mit einem Abstand von einem halben Jahr schreiben würde :D
Fühlt euch gedrückt. <3
__________________
Als ich das Haus betrete und leise dir Tür hinter mir schließe fliegt mir zu allererst ein Schuh entgegen. Er verfehlt meinen Kopf nur knapp, kracht in das Schuhregal neben mir und bringt mehrere andere Schuhe zu Fall. Erschrocken stoße ich einen spitzen Schrei aus und versuche die Ursache des fliegenden Schuhs zu finden. Diese steht mit verschränkten Armen in der Küchentür und schreit mich an:
„Sag' mal hast du den Verstand verloren?! Wo warst du verdammte Scheiße, ich hab' mir Sorgen gemacht!", Lydia wirft nun den zweiten Schuh ebenfalls nach mir, allerdings bin ich dieses Mal vorbereitet und fange ihn auf.
„Jetzt beruhigst du dich erstmal.", antworte ich, verunsichert von ihrer heftigen Reaktion.
„Mich beruhigen? Wir streiten, du bist total betrunken und plötzlich verschwindest du einfach und niemand hat dich gesehen oder weiß wo du bist. Hast du auch nur die leiseste Ahnung, welche Horrorszenarien ich mir ausgemalt habe? Wir waren kurz davor die Polizei zu rufen!"
„Du hättest doch einfach anrufen oder schreiben können."
„Das hab' ich, du blöde Pute. Ich, May, George, ja, sogar Amy."
Ich runzele die Stirn und ziehe mein Handy aus der Tasche. Es ist auf lautlos gestellt und ich habe eine Unzahl an verpassten Anrufen. Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen.
„Tut mir leid, ich war betrunken und mein Handy war nicht die erste Sache, an die ich gedacht habe. Mich bei dir zu melden, um ehrlich zu sein, auch nicht."
„Wie kommst du denn auf die Idee, dass mich nicht interessiert, wo du bist?"
„Na ja, nach allem, was du mir gestern an den Kopf geworfen hast."
Lydia seufzt, lässt aber ihre Schultern sinken, was ihre Haltung nicht mehr ganz so angespannt aussehen lässt.
„Olivia, können wir uns einfach kurz hinsetzen und reden?"
„Wirst du mich wieder mit irgendetwas bewerfen?"
„Ich gebe mir Mühe, es nicht zu tun."
Damit verschwindet sie ins Wohnzimmer und nachdem ich mich meiner Jacke und meiner Schuhe entledigt habe folge ich ihr. Eigentlich würde ich lieber sofort unter die Dusche und mir die Zähne putzen. Ich trage noch immer die Klamotten von gestern Nacht und der Geruch von Erbrochenem lässt sich nicht vertreiben.
Ich fühle mich wie eine Mülltonne, aber ich kann und will Lydia nicht warten lassen, denn der Wunsch, dass zwischen uns alles wieder in Ordnung kommt, ist größer als das Ausmaß meines Unwohlseins.
Eine Weile sitzen wir schweigend auf der Couch und niemand sagt etwas. Ich würde gerne anfangen, aber ich weiß nicht wie. Und letztendlich hat sie den Streit begonnen.
"Es tut mir leid, was ich dir gestern alles an den Kopf geworfen habe, Livvy, wirklich. Ich wollte nicht so fies sein, aber irgendwie bin ich einfach explodiert. Weißt du, ich hab echt ne lange Zündschnur, aber irgendwann ist auch Schluss.", fängt Lydia schließlich an sieht auf ihre Füße hinunter.
Ich lasse Revue passieren, was sie alles zu mir gesagt hat. Ich sei egoistisch. Ich würde ihr nicht zuhören und mich nicht für sie interessieren. Es ginge immer nur um mich. Wenn ich an die Art und Weise denke, wie sie mir das alles an den Kopf geknallt hat, will ich wieder wütend werden, aber wenn ich mich selbst reflektiere, weiß ich, dass sie recht hat. Ich habe nur an mich gedacht, die ganze Zeit über, weil es nicht in meinen Kopf ging, dass Lydia auch Probleme haben könnte, und ich schäme und hasse mich dafür.
Ich fasse mir ein Herz und nehme ihre Hand:
"Hör zu, es tut mir unglaublich leid, dass ich dir das Gefühl gegeben habe, dass deine Probleme unwichtig sind oder mich nicht interessieren. Das stimmt so nicht. Natürlich kümmert es mich, wie es dir geht und was du so erlebst, ich war bloß so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich gar nicht wahrgenommen habe, dass auch bei dir etwas passiert, dass auch du dich verliebt haben könntest und somit in der gleichen Scheiße sitzt wie ich."
"Ich hab mehrfach versucht, es dir zu erzählen.", unterbricht Lydia mich.
"ich weiß, und ich habe nicht zugehört. Ich habe es nicht ernstgenommen, weil ich dachte, dass das hier alles nicht so real für dich ist wie für mich, weil du eben die Geschichte und die Charaktere kanntest, weil dir einfach immer viel bewusster war, dass alles nur reine Fiktion ist. Ich war in letzter Zeit die beschissenste beste Freundin überhaupt, das hast du mir bewusst gemacht. Vielleicht brauchte ich auch einfach diesen Arschtritt. Vielleicht musstest du es mir auf diese Art und Weise sagen, damit ich es begreife. Es tut mir wirklich leid, Lydia. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst."
Meine Stimme ist während meines Monologes immer leiser geworden und ich merke, dass ich einen Kloß im Hals habe. Ich schlucke ihn runter. Ich werde nicht weinen, es geht nicht um meine Gefühle, sondern um ihre. Ich habe sie verletzt und nicht umgekehrt.
Ein paar Sekunden später traue ich mich aufzusehen. In Lydias Augen glitzert es verdächtig.
"Natürlich verzeihe ich dir, du blöde Kuh.", schluchzt sie und einen Moment später sitzt meine zwergenhafte beste Freundin halb auf meinem Schoß, um mich zu umarmen. Auch ich muss mir nun ein paar Tränen der Erleichterung verdrücken und erwidere die Umarmung. Nach einer Weile schiebe ich sie von mir weg.
"Jetzt erzählst du mir erstmal alles über James. Und dieses Mal höre ich zu, versprochen."
Und Lydia erzählt.
* * *
"Wir sollten mal ein richtiges Date haben."
"Was?", frage ich ungläubig und sehe Henry an, in dem Glauben, mich durch das Rascheln der Chipstüte verhört zu haben.
"Na ja, so ein richtiges Date eben. Ins Kino, was Essen, oder in den Streichelzoo gehen. Was man halt so macht auf Dates."
"In den Streichelzoo? Man geht auf Dates in den Streichelzoo?", ich hebe meinen Kopf, der auf Henrys Brust liegt und grinse ihn amüsiert an.
"Ach, was weiß ich denn? War nur so eine Idee.", er sieht ein bisschen verunsichert aus und starrt stur in den Himmel. Seine Wangen röten sich, als wäre ihm peinlich, dass er das überhaupt vorgeschlagen hat. Wenn das nicht so unglaublich süß wäre, würde es mir leid tun.
Ich lege eine Hand an seine Wange, drehe seinen Kopf zu mir, beuge mich leicht über ihn und küsse ihn sanft. Ein Kribbeln jagt durch meinen Körper wie beim ersten Mal und ich lächele in den Kuss hinein, als er seine Hand an meinen Arm legt.
"Also eigentlich bin ich nicht der Typ Mädchen, der auf Dates geht. Und der Gedanke, mit dir auf ein Date zu gehen ist auch merkwürdig. Aber ja, vielleicht sollten wir auf ein Date gehen. Ansonsten sind wir wahrscheinlich nichts weiter als zwei beste Freunde, die gelegentlich mal miteinander rummachen."
"Also haben wir ein Date? Nach allen Klischees?", Henry sieht glücklich aus.
"Nach allen Klischees. Aber wir müssen nicht wirklich in den Streichelzoo, oder?"
"Kein Streichelzoo."
"Gut. Ich will dich nicht küssen, wenn du nach Ziege stinkst."
"Du stinkst doch dann genauso nach Ziege."
"Dein Gestank würde meinen überdecken."
"Wow, du bist sowas von charmant. Ich frage dich nach einem Date und du sagst, dass ich stinke."
"Wenn man's genau nimmt, hast du mich gar nicht gefragt."
"Aber du hast schon zugesagt, also muss ich das nicht nachholen."
"Wir haben weder einen Zeitpunkt, noch einen Ort ausgemacht."
"Ich hole dich morgen ab, gegen 16 Uhr. Genauere Infos folgen. Was wir dann machen überlässt du mir. Okay?", er sieht mich an und ich will gerade einen Witz machen, als ich sehe, wie breit das Grinsen in seinem Gesicht ist. Er sieht richtig glücklich aus.
"Okay.", antworte ich und lächele ebenfalls, denn sein Grinsen ist ansteckend. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn, schiebt mich dann von seiner Brust und steht auf.
"Was wird denn das jetzt?"
"Ich muss los, muss meine Schwester von ihrer Freundin abholen, meine Mum arbeitet noch."
"Schon?", ich schmolle.
Henry reicht mir die Hand und ich lasse mir von ihm hoch helfen. Wir packen die Decke zusammen, beseitigen unseren Müll und schlendern zum Auto.
Während der Fahrt zu meinem Haus hören wir Crawling von Linkin Park und ich gröle laut mit. Henry lacht und tut so, als würde ihm nicht jeden Moment das Trommelfell platzen.
Vor meinem Haus halten wir und er legt eine Hand auf mein Knie.
"Danke.", murmelt er und lächelt.
"Danke wofür?", runzele ich die Stirn.
"Dass du mein Date bist."
"Na ja, danke für die Einladung."
"Nein, Livvy. Ich meine es ernst. Wir hängen ständig nur so miteinander um. Dass es jetzt eine offizielle Verabredung ist, bedeutet mir viel. Es ist ein Unterschied, ob man sich zum Rummachen trifft, oder man sich datet."
Ich bin so gerührt von seiner aufrichtigen Freude über ein einfaches Date mit mir, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll. Ich hätte nicht gedacht, dass es ihm so viel bedeutet, der Sache zwischen uns einen Namen zu geben, da wir uns ja sowieso regelmäßig sehen. Ich lege meine Hand auf seine, beuge mich zu ihm herüber und Küsse ihn lange. Ich will, dass er spürt, was er mir bedeutet, auch wenn ich nicht immer so offen reden kann wie er.
Schließlich verabschiede ich mich und steige aus.
"Sei pünktlich!", sage ich noch, bevor ich die Tür schließe, woraufhin er nur breit grinst.
Wie immer fährt er erst, als ich die Haustür hinter mir geschlossen habe.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top