Kapitel 94
Katsuki:
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"Vertrau mir."
Ich wusste, dass meine Worte sie trotz allem nicht erreichen würden.
Es war schon zu spät.
Alora hatte bereits ihren Kopf von mir abgewandt und nicht einmal in Erwähnung gezogen, mir etwas zum Abschied zu sagen. Mir wäre sogar eine Beleidigung recht gewesen.
Aber das hier war viel schlimmer.
Das einzige, was zu hören war, waren ihre und die Schritte der Polizisten, die sie gerade zum Auto abführten.
Obwohl Alora vorhin kurz davor war mich umzubringen, schwieg sie jetzt und schien bereits aufgegeben zu haben. Mein Herz raste und jede Sekunde zog sie so unerträglich in die Länge, bis mir Übel wurde.
Aber ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Ich durfte einfach nicht.
Es war wahrscheinlich das letzte mal, dass ich sie sehen würde.
Das letzte mal, ehe sie wieder gehen würde. Ich werde nie wieder in ihre leuchtend grünen Augen blicken können, nie ihre zärtliche Haut anfassen und nie wieder ihre Witze hören. Ihre Witze.. ihr Selbstvertrauen und dieses verschmitzte Grinsen.
Ihr Lächeln.
Sofort spührte ich wie die Galle in mir hochstieg und ich packte mit meinem Arm meinen Hals, bevor ich mich in den Schnee fallen ließ und mich erbrach. Ihr Lächeln... ich habe es so lange nicht mehr gesehen und jetzt werde ich nicht einmal die Möglichkeit haben es je erneut zu genießen.
Nein, bitte.
Ich wollte aufstehen, aber mein Körper zog mich weiterhin auf den Boden.
Mir war so verdammt übel, aber ich musste sie sehen. Ein letztes mal.
Bitte lächel mich an. Nur noch ein Mal.
Mit aller Kraft hob ich meinen Kopf und stellte mich meiner größten Angst.
Die Tür wurde gerade zugeschlagen, doch ich konnte durch die Fensterscheibe genau ihr Gesicht erkennen. Doch die Person die mich anschaute, war nicht mehr die, in die ich mich verliebt habe.
Aloras Augen wirkten leer, waren fast geschlossen und unter ihnen bildeten sich dunkle Ringe ab. Ihre Haut, aschfahl und nicht mehr sonnengeküsst wie früher.
Ihre Lippen waren zu einem dünnen Strich gezogen und von dem wunderschönen Lächeln gab es keine Spur. Doch das mit Abstand schlimmste war ihre Art wie sie mich anschaute. Statt Wut, spiegelte sich in ihnen jetzt nur die reinste Enttäuschung ab.
"Vertrau mir.", habe ich so oft gesagt und sie tat es. Sie hatte sich nie für ihre Macken geschähmt, erzählte mir jedes Detail von sich selbst und war wie ein offenes Buch. Und jetzt würde sie es nie wieder tun. Es ist alles meine Schuld.
Ich hätte es nicht tun sollen.
Der Wagen setzte sich in Bewegung und ich stand automatisch mit einem Ruck auf. Ohne auch nur darüber nachzudenken, setzte sich mein Körper in Bewegung und ich rannte dem Auto wie ein Köter hinterher, um weiterhin in ihre Augen schauen zu können.
"Es tut mir leid.", rief ich und erhoffte mir ein verständnissvolles Lächeln oder noch einmal den Satz "Ich liebe dich." von ihren Lippen lesen zu können. Doch Alora drehte sich einfach um und ich konnte genau erkennen, wie sehr ihr Körper zitterte.
Sie würde mir nie vergeben.
Doch trotzdem ließ ich nicht locker, hörte weder auf meinen Verstand noch auf Kiri und die anderen Polizisten, die mir hintereilten. "Es tut mir leid!"
Immer wieder. "Es tut mir leid."
Dreh dich um. Bitte. Ich kann nicht.
Schau mich noch einmal an.
Bitte! Es tut mir so leid.
Das Auto beschleunigte sich und ich stolperte plötzlich über einen Bordstein, was dazu führte, dass ich mit voller Wucht auf den Boden knallte. Ein gewaltiger Schmerz pulsierte durch meine Knöchel und meine Hose verfärbte sich sofort rot, aber ich rappelte mich wieder auf und hinckte dem längst verschwunden Wagen hinter.
"Es tut mir leid.", krächzte ich nur noch, bevor mir dir Luft ausging und ich wieder einsackte.
Schau mich bitte nur noch einmal an. Ich brauche dich.
Von hinten hörte ich, wie Kiri meinen Namen rief und auf mich zurannte, während die anderen mit den Polizisten über Aloras Drogenkonsum sprachen. Es ist meine Schuld.
Ich hätte es nicht den Bullen sagen sollen.
Im nächsten Moment verschränkte Kiri seine Arme um meinen Oberkörper und zog mich hoch. Ich stöhnte schmerzerfüllt auf und konnte mich kaum auf den Beinen halten.
Ich hörte Denki den Notruf wählen, während Kiri mich auf seinen Rücken nahm und mich zurück trug.
Jeder seiner Schritte ließ meine Knochen vibrieren und ich spührte, dass unter meiner Kleidung tiefe Schürfwunden pochten. Doch ich verdiehnte diesen Schmerz.
"Fuck. Ich bin so dumm.", stieß ich leise aus und konnte mir meine Tränen nicht unterdrücken.
"Nein Bro, du hast das richtige getan.
Alora wäre sonst noch zugrunde gegangen.", entgegnete er und ächzte.
Mein Magen zog sich bei der bloßen Erwähnung ihres Namens zusammen.
"Nein. Ich habe sie verraten. Sie hat mir vertraut." Es ist meine Schuld.
Ich habe ihr Vertrauen missbraucht.
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Y/n vertraute mir.
Und auch wenn ich sie jetzt angelogen habe, musste ich dafür sorgen, dass es ihr besser gehen würde.
Mein Körper spannte sich sofort an, als ich die Schritte innerhalb der Turnhalle hörte. Ich wartete bereits seit einer halben Stunde vor der Haupttür und spielte mir immer wieder im Kopf die Worte ab, die ich Shoto sagen würde.
Ich wusste, dass er an Privatstunden teilnahm und habe beschlossen ihn gleich nach diesen zur Rede zu stellen. Auch wenn ich Y/n versprochen habe nicht mit ihm zu sprechen, nachdem ich sie nachhause begleitet habe, ging mir dieser Gedanke einfach nicht aus dem Kopf. Sie selber würde nicht mit ihm reden. Heute nicht, morgen nicht und auch nicht nächste Woche. Stattdessen würde sie sich jeden Tag in die Schule quälen und einfach nur hoffen, dass er sie in Ruhe ließ.
Ich wollte aber nie wieder dieses schmerzerfüllte Gesicht von ihr sehen. Und dieser verwöhnte Bastard.. Als sich plötzlich die Tür öffnete, ging ich reflexartig ein paar Schritte zurück und nahm einen tiefen Atemzug. Mein Körper fühlte sich wie unter Drogen an, war so schwer unter Kontrolle zu bringen, sodass ich eine riesige Kraft aufbringen musste ruhig zu bleiben.
Mehrere Schüler verließen das Gebäude und obwohl ich sie nicht persönlich kannte, wusste ich genau wer sie waren. Ihre bloßen Designerklamotten ließen sie bereits jeden Tag von allen herausstechen und sie scheuten sich auch nicht, ihren Reichtum zu verheimlichen.
Meine Wut stieg bereits bei ihrem Anblick.
Ekelhafte Schnösel, die noch nie harte Arbeit verspüren mussten.
Auf ihren Wegen wurden nie Steine gelegt und sie konnten bereits nur durch einen Handschnippser jede einzelne Sache bekommen.
Ich hasste sie. Jeden einzelnen von ihnen.
Plötzlich stockte mein Atem, als ich Shoto nach ihnen folgen sah.
Man konnte an seinem Gesichtszug genau herauslesen, dass er mehr als alles andere genervt und angespannt war. Ohne auch nur eine Sekunde zu warten, schritt ich ohne zu zögern auf ihn zu und musste mich zurückhalten, ihm nicht gleich die Fresse zu polieren.
"Shoto.", entfuhr es mir und er blieb abrupt stehen. Seine Haltung veränderte sich sofort und auch nur ohne hinzusehen, war ihm klar, was ich wollte. Trotzdem wartete er kurz ab, ehe er sich endgültig zu mir umdrehte und mich kühl anstarrte.
"Was?" Shoto hob sein Kinn an und ging ein paar Schritte auf mich zu.
"Wir müssen reden. Jetzt.", stieß ich scharf zwischen zusammengepressten Lippen aus und schaute ihn mit schmalen Augen an.
Beruhig dich. Verdammt, beruhig dich!
"Über was denn? Ich habe nichts mit dir zu besprechen. Oder sag mir nicht, dass Y/n zu inkompetent ist, um persönlich mit mir zu reden."
Meine Hand ballte sich automatisch so fest zur Faust, bis meine Knöchel weiß hervortraten. Wie kann dieser Wixxer ihren Namen so in den Dreck ziehen?! Ich..
Shotos Blick landete kurz auf meiner Faust und er zog seine Brauen gespielt überrascht nach oben, bevor er laut auflachte. "Wow, du hast also immernoch nicht dazugelernt."
"Was soll das denn jetzt heißen?"
Der Druck baute sich so stark in mir auf, dass winzige Explosionen um meine Fingerspitzen tanzten.
"Ach so dumm bist du nicht. Wir wissen beide, dass du mir nichts antun wirst.", sagte er und verschränkte mit einem argwöhnischem Lächeln seine Arme vor der Brust.
Ich blickte für einen kurzen Moment über die Schulter, um sicherzugehen, dass niemand von seinen Freunden uns beobachtete. Aus irgendeinem Grund waren wir wirklich alleine.
"Du wirst gleich sehen, was ich mit dir anstellen werde, wenn du noch einmal etwas über Y/n sagst.", drohte ich und trat ihm so nah entgegen, bis uns nur noch ein halber Meter trennte.
Doch er hatte Recht.
Wenn ich ihm auch nur ein zweites Mal auf irgendeine Art verletzen würde, wäre es aus und ich würde von der Schule fliegen. Aber es war mir in dem Moment scheißegal.
Shoto schnaubte und rollte seine Augen. "Ja bestimmt. Also komm zum Punkt, was willst du?"
Diese Anstandslosigkeit von ihm, erinnerte mich auf irgendeine Weise an mich selber, aber ich ließ mir nichts anmerken. "Lass Y/n in Ruhe."
"Willst du mich verarschen? Ich habe nichts getan. Sie ist die Hur..-"
Ich ließ ihn nicht ausreden, sondern packte ihn mit aller Kraft blitzschnell am Kragen und schubste ihn so fest gegen die Betonwand, dass sein Kopf dagegenknallte. Er stöhnte schmerzfüllt auf, aber ich drückte ihn weiterhin gegen die Mauer und schnürrte ihm die Luft ab.
Shoto starrte mich kurz entsetzt an und versuchte sich aus meinem Griff zu befreien, doch ich presste meine Handfläche dann noch fester gegen seine Kehle, bis er nichts anderen tun konnte, als zu hoffen, dass ich ihn loslassen würde.
Seine Nägel bohrten sich verzweifelt in meine Haut und sein Atem röchelte.
"Bitte.", formte er mit seinen Lippen, was dafür sorgte, dass ich grinsen musste. Natürlich hätte Shoto seinen Quirk anwenden können, aber für ihn galten die Konsequenzen auf seine Handlungen genauso wie für mich.
Der Unterschied zwischen uns war aber, dass die Folgen mich ein Scheißdreck interessierten.
Ich beugte mich so sehr zu ihm vor, bis mein Mund fast sein Ohr berührte und sagte langsam und deutlich in einem groben Ton: "Okay, hoffentlich hörst du mir jetzt mal richtig zu.
Lass Y/n in Ruhe. Rede nicht mit ihr, schreib ihr nicht und schau sie nicht an. Ich werde ab jetzt ihre Nachhilfestunden übernehmen und neben ihr sitzen und du hältst dich gefälligst aus ihrem Leben raus, ist das klar? Du bist ihr nicht würdig und das sollst du ein für allemal wissen.
Hast du das verstanden?"
Nachdem Shoto hastig nickte, ließ ich ihn los und er knickte sofort ein.
Er nahm tiefe und unregelmäßige Atemzüge, während er die roten Abdrücke auf seinem Hals massierte, doch ich wandte mich ab und ging.
Sollte er doch hier verrecken.
Plötzlich hörte ich aber, wie Shoto sich auf seine Beine hob und seine hohle Stimme in meinen Ohren nachhalte. "Okay, bist du ihr aber würdig?"
Meine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich, bevor ich antwortete: "Mehr, als du es jemals sein wirst."
Und das war die Antwort.
Aber trotzdem blieb die Frage weiterhin in meinem Kopf.
Bin ich ihr würdig?
Ich hoffe es.
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