Kapitel 90
Y/n:
Die Tür hinter mir knackte, als ich sie mit voller Wucht zuschlug.
Das war die einzige Andeutung darauf, wie ich mich wirklich fühlte.
Ich war wütend.
Ja, auch wenn ich Ibara vergeben und sie in kompletter Verwirrung stehengelassen habe, war ich immernoch der Klatsch und Tratsch des Tages gewesen. Natürlich verbesserte diese Aktion mit ihr meine Lage nicht. Eher im Gegenteil. Alle behaupten jetzt, dass ich ein Feigling wäre, der nicht wusste, wie man sich seinen Problemem stellte.
Ich schloss ab und ließ mich im mein Bett fallen. Wenigstens war Shoto heute nicht da gewesen, denn ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn er das alles mitbekommen hätte. Shoto. Sein Name sorgte für ein Stechen in meiner Brust.
In dem Moment, wo ich mir aber gerade Kopfhörer aufsetzen und alles irgendwie vergessen wollte, klopfte es am Fenster. Ich schreckte auf und stand abrupt auf. Für eine Sekunde hoffte ich, dass es Katsuki war, bis ich auf einmal Kyoka hinter der Glasscheibe erblickte.
Nachdem ich es öffnete und ein paar Meter zurücktrat, fragte ich etwas schnippisch: "Was willst denn du hier?"
Ich war mir sicher, dass sie meine feuchten Augen bereits bemerkt hatte, ließ sich aber nichts anmerken.
Kyoka stieg ein und beugte sich danach noch einmal kurz übers Fenster, bevor sie eine vollgepackte Tüte hervorholte.
"Dich aufmuntern."
Als mich meine beste Freundin gleich danach in eine Umarmung zog, schnaubte ich, ehe ich entgegnete: "Danke, aber das muss wirklich nicht sein. Ich.."
"Ich weiß, dass du jetzt lieber alleine sein willst, aber ich kann das nicht tun. Wir müssen nicht reden und ich kann mich in die hinterste Ecke deines Zimmers verkriechen, aber ich bleibe heute bei dir.", unterbrach sie mich und ich musste lächeln.
"Danke." Ich schniefte etwas, als mir ein paar Tränen übers Gesicht rollten.
Sie sah mich mitfühlend an und erwiderte mein Lächeln. Man ich liebte sie einfach.
"Also, da wir bei dir einen Fall von Liebeskummer haben und dazu..", fing sie an, doch ich ließ sie nicht ausreden.
"Ich liebe Shoto nicht mehr."
Sie legte ihren Kopf schief und verschränkte ihre Arme.
"Sicher?" Ja, sicher.
"Ich habe Schluss gemacht."
Sie riss kurz ihre Augen auf und blinzelte mehrmals.
"Du? Ich dachte er hätte Schluss gemacht. Darf ich fragen wieso?"
Ich brauchte ein paar Sekunden, bevor ich antwortete: "Weil er genau zu der Person wurde, vor der du mich gewarnt hast."
Ihre Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich und ein Schatten legte sich über ihre Pupillen. Obwohl Kyoka wirklich rechthaberisch sein konnte, wiesen keine Zeichen daraufhin, dass sie es auch jetzt war. Und dafür war ich ihr unendlich dankbar.
"Egal, es ist aus. Ich will nicht mehr darüber reden.", sagte ich und wandte meinen Blick ab.
"Und über das, was mit.. Ibara passiert ist? Ich wusste immer, dass ihr beide Stress hattet und dass viel zwischen euch passiert war, aber nicht, dass ihr immernoch etwas miteinander zu tun habt."
Die Art, wie sie ihren Namen aussprach, hörte sich komisch an.
Kyoka hatte mir ja einmal gesagt, dass die beiden sich mal gekannt haben, aber was wenn mehr dahinter war?
Waren sie mal richtige Freunde gewesen? Nein, sie würde niemals mit ihr befreundet sein.
Ich zuckte mit meinen Achseln und versuchte meine aufsteigende Panik zu unterdrücken. Alle reden über mich. Alle schauen mich an. Jeder kennt mich jetzt und das nicht im positiven Sinne. Und dann nur wegen Ibara der Bitch. "Sie mag mich einfach nicht und hatte schon vom ersten Tag an ein Problem mit mir. Warscheinlich brauchte sie nur ein Opfer, welches sie jedes mal quälen kann, wenn immer sie Lust darauf hat."
Wieder diese Leere in ihren Pupillen, welcher mir so sehr ähnelte.
Wie als würden ihr eintausend Dinge und Erinnerungen durch den Kopf gehen, diese aber immer wieder verschließen. Den das tat ich immer.
Nach ein paar Sekunden riss sie sich aus ihrer Trance und ging direkt auf die voll gepackten Tüten zu.
"Okay, lassen wir es einfach, ich habe schon eine Idee, wie wir alles vergessen können."
"Wie denn?? Mit Gras, oder was?"
Ich lachte etwas ironisch auf, bis sie sich wieder zu mir wandte und überrascht ihre Brauen hochzog.
"Ohh! Also ich hätte nicht gedacht, dass du dich schon so schlecht fühlst, aber deine beste Freundin hat natürlich an alles gedacht."
Kyoka öffnete ihre kleine Tasche und ich prustete wieder los.
"Ja klar! Komm du musst mich nicht verar-.." Mein Herz blieb für eine Sekunde stehen, als sie tatsächlich eine kleine durchsichtige Verpackung mit Gras herausholte.
Jetzt war sie es, die lachte.
"Hast du tatsächlich gedacht, dass ich dich veräppelt habe?"
Ich brauchte einen kurzen Moment, bevor ich etwas überfordert fragte: "Warte du kiffst?"
Kyoka rollte mit ihren Augen und setzte sich zu mir aufs Bett.
"Nein, nur selten, wie zum Beispiel bei Anlässen wie diesen hier.
Es ist nichts besonderes, deswegen auch nicht der Rede wert. Und davon abgesehen hast du auf Minas Party auch Gras geraucht."
Ich massierte meine Stirn, weil mein Kopf gerade noch stärker anfing zu pochen. "Okay, aber da war ich auch schon komplett berauscht gewesen.
Woher hast du eigentlich das Zeug?"
"Na von wem wohl? Denki natürlich, der raucht es ständig." Ich verschränkte meine Arme und sah sie skeptisch an. "Denki? Hast du mit ihm in privat Kontakt?"
Sie schüttelte heftig ihren Kopf und verzog ihr Gesicht, dass es so aussah, als würde sie sich ekeln. "Ich?! Niemals! Ich wusste nur nicht, wie schlimm die Situation sein würde, weswegen ich gleich auf Nummer sicher gehen wollte und etwas härteres als Alkohol besorgt habe."
"Aha.", stieß ich nur aus, glaubte ihr jedoch kein Wort. Da lief etwas zwischen ihnen. Und es fuckte mich jetzt um so mehr ab, dass sie es nicht einfach zugeben wollte.
"Willst du jetzt, oder nicht?", erkundigte sie sich und schaute mich genervt an.
Ich wandte kurz meinen Blick auf die Packung mit dem Gras darin, schüttelte dann aber meinen Kopf.
"Nein, so schlimm ist es jetzt auch wieder nicht."
Kyoka stand plötzlich wieder auf und schlenderte mit einem Grinsen im Gesicht wieder auf die Tüten zu.
"Okay, kein Problem. Ich habe auch McDoanlds, Kaffe vom Starbucks und.. natürlich Wodka, welches wir mit Redbull mischen können. Ah ja und mein geliebtes Weißwein!"
"Fuck, Kyoka!", stieß ich aus und schnaubte. Sie war echt eine gute Freundin. Nein, sie war die beste.
Meine beste Freundin warf mir einen Cheeseburger zu und nahm dann gleich darauf die ganze Tüte, welche sie auf mein Bett ablegte.
"Y/n, chill jetzt einfach mal und vergiss alles. Und wenn der Alk nichts bringt, habe ich ja noch was, okay?"
Auf ihrem Gesicht spielte sich ein Lächeln abund ich konnte nichts anders tun, als es zu erwidern. Vergessen. Lass mich bitte alles vergessen. Shoto, Ibara, meine Mutter, meinen Vater. Einfach alles.
Und dann nahm ich die erste Flasche in die Hand und trank ohne zu zögern einen großen Schluck.
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Vergessen.
Das Gefühl eines leeren Kopfes ist befreiend, zugleich aber auch beängstigend.
Ich war betrunken ja, aber ich wusste noch wer ich war. Und wer die Person war, die vor mir saß. Kyoka.
Aber wenn mich jemand fragen würde, was zwei plus drei wäre, hätte ich keine Ahnung gehabt, was ich antworten sollte.
Der Knoten in meiner Brust hatte sich bereits schon längst geöffnet, aber wieso hatte er sich noch einmal in mir gebildet? Was war der Grund zum Trinken gewesen? Ich hätte darüber nachdenken können, tat ich aber nicht. Wenn man nach etwas suchte, würde man auch etwas finden.
"Wow, das ist so schön.", sagte ich auf einmal, ohne meine ausgesprochenen Worte überhaupt wahrgenommen zu haben.
Kyoka und ich saßen zusammen auf der Fensterbank mit einem Glas Weißwein in der Hand und ließen unsere Augen bestimmt schon seit zwanzig Minuten über eins der wenigen ruhigen Viertel von Tokio schweifen. Die Sonne war schon fast im Horizont verschwunden und kleine Sterne bildeten sich im blau-lila gefärbten Himmel.
Wunderschön.
"Ja, da hast du recht." Ich hätte schwören können, dass sich Kyokas Stimme verändert hatte. Sie nippte wieder an ihrem Glas und schloss für einen Moment ihre Augen.
Die Stille fühlte sich wie eine warme Decke über uns an. Das einzige, was zu hören war, war nur das Zwitschern der Vögel und das Pfeifen des Windes. Sonst nichts. Keine Autos, keine Streitereien und das beste, keine Schreie in meinem Kopf.
Alles verstummte und es wirkte wirklich wie Balsam auf meinen Wunden. Ruhe, Frieden und Freiheit.
Jeder Atemzug ließ mich noch mehr leben, als es der letzte bereits schon tat. Ach du Scheiße, wieviel habe ich schon getrunken? Der Gedanke verflogen in der nächsten Sekunde schon wieder.
Doch obwohl ich gerade so stark berauscht war, dass sich meine komplette Wahrnehmung verändert hatte, war mir mehr als alles andere klar, dass diese besondere Zeit begrenzt war. Ich wusste vielleicht nicht, was danach passieren würde, aber das Ziehen in meinem Magen wies mich daraufhin jeden einzelnen Augenblick zu genießen.
Wann wird es aufhören. Morgen? Heute schon? Bitte lass es nie enden.
Bitte, ich will leben. Aber werde ich dann wieder sterben, ertrinken oder werde ich stärker? Wird dieses Gefühl weiterhin in meinem Kopf bleiben, diese Erleichterung? Ich hoffe es.
Mehr als alles andere.
Auf einmal summte mein Telefon und als ich einen Blick auf den Display warf, machte mein Herz einen Satz.
Katsuki hatte geschrieben.
Aber wieso wird mir plötzlich so warm?
Katsuki:
Katsuki: - hey wie geht's dir so? Ist alles gut bei dir?
Meine Finger flogen wie von selbst über die Tastatur.
Du: - Jaa mie geht's wut
Hä, habe ich den Satz richtig geschrieben? Ich glaube schon, oder?
Ich musste ein paar Sekunden warten, bis die nächste Nachricht von ihm eintraf.
Katsuki: - scheiße sag mir ja nicht dass du wirklich gekifft hast
Hä?
Du: - Was meinbst du
Katsuki: - denki hat mir erzählt dass kyoka ihn nach gras gefragt hat und
als er wissen wollte wieso hat sie ihm gesagt dass es für dich wäre weil es dir ja nicht gut geht
Mein Magen zog sich abrupt zusammen. Mir geht es nicht gut.
Ich habe wieder einmal nur getrunken, weil es mir verdammt nochmal nicht gut geht.
Langsam kamen mir die Bilder wieder hoch und mir wurde etwas übel. Ich nahm wieder einen großen Schluck von dem Wein und setzte alles daran meine zittrigen Finger zu beruhigen.
Du: - hashasaha nein ich habe nixht gekifgt mir gehts gut
Ich biss mir auf die Lippe und wartete ungeduldig auf seine Antwort.
Dabei trank ich in einem Zug ein ganzes Glas und der bittere Geschmack ließ mich meine Augen zusammenkneifen.
Katsuki: wirklich? wenn du willst kann ich auch zu dir rüberkommen
Mein Bauch rummorte und ich konnte mir kein Grinsen unterdrücken. Und plötzlich setzte mein Gehirn so sehr aus, dass ich mir gar nicht mehr im klaren war, was ich schrieb.
Du: Kyoka ist bei mie aber danje du bidt so toll ich hab dicx lieb <3
Die Häkchen färbten sich bereits blau, ehe sich mein Verstand eingeschaltet hatte und es schon zu spät war die Nachricht zu löschen.
Katsuki tippte, dann wieder nicht und dann fing er wieder an. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Shit, shit, shit!
Ich habe es vermasselt! Warte, was hätte ich denn vermasseln sollen?
Und wieso kann ich seine Antwort nicht wie ein normaler Mensch mit etwas Geduld abwarten??
Als ich gerade mein Handy ausschalten wollte, vibrierte es aber wieder und mein Adrenalin stieg in die Höhe. Und dann fülle sich mein Körper mit so einer Wärme, dass mir die Luft wegblieb.
Katsuki: ich habe dich auch lieb <3
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