Kapitel 89


Katsuki:

Fuck. Nein, wieso genau jetzt?!

Sofort blendete ich Kiris und Denkis nächsten Worte aus und drehte mich um, um nach Y/n zu schauen.
Sie war nicht mehr da.
Es wird alles wieder kaputt gehen.

"Katsuki!" Denki packte mich an der Schulter und riss mich aus meinen Gedanken. Seine Nägel bohrten sich in meine Haut, als ich immer noch nicht reagierte.

Y/n, wo bist du verdammt?!
Mein Adrenalin stieg so rasend in die Höhe, dass ich mich kaum zusammenreißen konnte, den ganzen Schülern nicht gleich die Fresse zu polieren. Ich ballte meine Hand so fest zur Faust, dass meine Knöchel weiß hervortraten.
Hört auf zu reden!

"Hallo, Katsuki?? Was machst du jetzt?", hacke Denki nach und ich konnte es nicht mehr aushalten.
Statt ihnen irgendetwas zu antworten, sammelte ich meine ganze Willenskraft und ging ins Schulgebäude.

Die Stimmen um mich herum waren kaum auszublenden, was mich noch wütender machte. Ich quetschte mich durch die Schüler, schaute mich wie ein Irrer um, aber nirgends war Y/n zu sehen. Da ich mir sicher war, dass sie nicht in unserem Klassenzimmer war, änderte ich die Richtung, um in den Toiletten nachzugucken.

Ja, es war unverschämt ins Mädchenklo zu gehen, doch in dem Moment war mir das komplett egal.
Aber bevor ich überhaupt in eine reingehen konnte, schnappte ich nach Luft, als ich Y/n geradezu an mir vorbeigehen sah und ergriff ihre Hand. "Y/n!"

Sie würdigte mich keines Blickes, sondern achtete nur auf die Leute um uns herum, die jetzt lauter wurden.
"Lass mich los.", stieß sie in einem kalten Ton aus und es fühlte sich an, als hätte jemand einen Dolch in meinen Magen gerammt.

Nein, bitte nicht. Es soll nicht wieder von neu anfangen. Nicht wegen diesen bescheuerten Leuten, die doch gar nichts über uns wissen. Statt ihrem Befehl zu gehorchen, zog ich sie an mich und sorgte dafür, dass sie mir in die Augen blickte.

Ich zuckte innerlich zusammen, als ich diese Härte in ihren Pupillen bemerkte. Zorn und Hass zugleich spiegelten dich in ihnen aber, aber nicht gegenüber mir, sondern..
irgendeiner bestimmten Person.

"Lass mich los.", wiederholte sie, aber ich tat es nicht. Auch wenn das hier nur eine Bestätigung für die Leute war, dass irgendetwas zwischen uns lief.

"Nicht bevor du mir sagst, was du tun wirst.", sagte ich und erwiderte ihren Blick. Ich verstand sie, wirklich.
Menschen konnten grausam sein, auch wenn sie dann meist nicht wussten, was sie taten.

Y/n presste ihre Lippen aufeinander und schwieg für eine Sekunde, bis sie sagte: "Dafür sorgen, dass sie es bereut." Ibara. Es bestand kein Zweifel, dass sie gemeint war.
Im letzten Jahr habe ich grob mitbekommen, was zwischen den beiden passiert war, habe mich aber nie getraut sie genau danach zu fragen.

"Woher willst du wissen, dass sie es war?" Ich schluckte und versuchte mir gar nicht erst auszumalen, was passieren würde, wenn die zwei wieder aneinandergeraten würden.

"Ich kenne sie. Und jetzt lass mich verdammt nochmal los."
Ich kann das nicht. Sie soll mich nicht wieder anfangen zu hassen.

"Y/n, denk daran, was du mir gesagt hast, als ich dir von meinem Streit mit Kiri erzählt habe. Vergib ihr, wie ich ihm vergeben habe."
Nachdem ich sie tatsächlich losließ, trat ich einen Schritt zurück.

Sie antwortete nicht, sondern drehte sich um und ging. Mir wurde Übel, als sie trotzdem das Klassenzimmer der 2B betrat.

Y/n:

"Vergib ihr, wie ich ihm vergeben habe." Vergebung. Was ein Dreck.

Ohne auch nur darüber nachzudenken, riss ich die Tür auf und schaute mich zwischen den vielen Schülern im Raum um.

Und in der hintersten Ecke erkannte ich sie. Ibara. Dieselbe Bitch, die sie schon immer gewesen war. Aber jetzt würde ich mich nicht fürchten,
nicht mehr weglaufen.

Ich spührte, wie eine ungewöhnliche Kraft durch meinen Körper pulsierte, als ich direkt auf sie zuging.
Wut und Hass wurden zu eins und ich wusste, dass wenn ich jetzt meinen Quirk entfesselt würde, es alles und jeden hier zerstören würde.

Ibara lachte laut auf, während sie mit ihren Freundinnen sprach und bemerkte mich nicht einmal, bis ich genau vor ihr stand und mit meiner Hand auf den Tisch schlug.
Sie quickte leise auf und als sie aufschaute, weiteten sich kurz ihre Pupillen. Und danach spielte sich ein teuflisches Lächeln auf ihren Lippen ab.

"Y/n." Schlagartig wurde es im ganzen Klassenzimmer so still, dass ich nur noch meinen abgehackten Atem hören konnte. Ibaras lange grüne Haare fielen bis zu ihrer Hüfte herab und der Gedanke, einfach eine Schere zu nehmen und sie abzuschneiden, ließ mich nicht los.

"Willst du wieder in meine Klasse wechseln, oder wieso bist du hier?"
Jeder ihrer Worte wurde mit Bedacht darauf gewählt mich zu zerstören.
Mich an die schlimmste Woche meines ganzen Lebens zu erinnern und dafür zu sorgen, dass die Bilder mich bis in meinen Träumen verfolgen würden.

Ibara war ein Monster.
Sogar ein größeres als meine Mutter.
Und als ich.

Meine Knie zitterten und meine Hand verkrampfte sich. Es brauchte eine, nur eine einzige Sekunde den Boden zu streifen und sie so hart mit meinem Rauch gegen die Wand zu schleudern, dass sie ohnmächtig wurde.

Ich stemmte meine Ellenbogen auf dem Tisch ab und kam ihr so nah, dass sie fast unmerklich zurückwich.
Mein Gesichtsaudruck verriet nichts.
"Ich weiß, dass du es warst."

Sie blinzelte. Dann nochmal, bevor sie nicht lauter, als ein Flüstern eiskalt antwortete: "Ich wollte auch, dass du es erfährst."

Mein Herz raste.
Nur eine Sekunde.
Nur eine verfickte Bewegung und sie wäre weg. Für immer.
Nein, zeig ihr nicht, was du fühlst.
Sie soll nicht sehen, wie kaputt du bist.

Ich richtete mich wieder zu meiner vollen Größe auf und schaute sie gelangweilt an, während ich mit leicht zittrigen Fingern meine Stirn massierte. Anscheinend hatte sie diese Reaktion nicht erwartet.
Ich selbst dachte nicht, dass es möglich wäre, so ruhig zu bleiben.

"Sag mal, kann es sein, dass du keine Hobbys oder so hast?", fragte ich sie dann und meinte es auch komplett ernst.

Ihre Augen formten sich zu schmalen Schlitzen, als sie ihre Hände miteinander verschränkte und ihren Kopf darauf abstützte.
"Ich habe keine Ahnung, was du meinst."

Ich lachte ironisch auf und schüttelte meinen Kopf. "Kann es wirklich sein, dass die berühmte Ibara, die ja eigentlich nie Zeit und so viel zu tun hat einfach alle Pflichten vernachlässigt, um irgendeiner unwichtigen Person nachzuspionieren und vergeblich versucht ihr das Leben zu verschlechtern?"

Sie warf einen flüchtigen Blick zu ihren Freundinnen, schwieg jedoch.
"Wenn ich auch nur darüber nachdenke muss ich anfangen zu lachen. Du warst einfach so von mir besessen, dass du mir auf dem Ball die ganze Zeit wie ein Hund hinterhergehechelt bist und bestimmt stundenlang auf so einen Moment, wie diesen gewartet hast."

Sie hob unbeeindruckt ihre Brauen.
"Auf was habe ich den bitte gewartet? Dass ich dich einmal dabei erwische, wie du dich wie eine Hure verhältst und zehn Sekunden nach einer Trennung den nächsten Jungen fickst?" Ahh, das ist also ihr Problem.
Sie will allen zeigen, dass ich die Schlampe bin und nicht sie.

Irgendeine Person pfiff und ein paar kicherten, aber ich ließ mir meine aufsteigenden Gefühle nicht anmerken. Sie konnte mich so sehr bloßstellen wie sie wollte, doch ich würde nie wieder darauf eingehen.

"Na und? Ich lasse mich wenigstens nicht auf das Niveau herab ein Gerücht genau am letzten Ferientag zu verbreiten, damit die jeweilige Person am ersten Schultag komplett am Arsch ist. Schon traurig, wenn man darüber nachdenkt, wie du die zwei Wochen abgewartet hast, bis du es erst getan hast, oder?"

Anscheinend hatte es die Klasse auch verstanden, da alle verstummten.
Ibara wechselte ihren Blick immer zwischen mir und den anderen her und versuchte ihre Fassung zu bewahren. "Was redest du da?"

Ich schmunzelte.
"Wir wissen beide, wer hier das eigentliche Opfer ist, ja?"
Sag es. Erzähl ihnen die Wahrheit.
Sie sollen wissen, was sie dir angetan hatte.

Doch gerade, als ich meinen Mund öffnete um all das auszusprechen, was nur zwischen uns beiden passiert war, erkannte ich den Schatten in ihren Augen. Angst.

Sie versuchte es zu verbergen, aber ich kannte diesen Blick.
Es war meiner. Eine unausgesprochene Bitte, nein ein Flehen. "Bitte. Ich habe Angst."

Ich bekam keine Worte heraus.
Dieser Zorn.. Ich würde das Monster sein. Sie war gerade das Opfer und auch wenn sie es nicht zeigte, sah ich es ihr genau an.
"Scheiß drauf. Zerstöre sie, wie sie dich zerstört hatte. Du sollst auch mal spüren, wie gut es sich anfühlen kann. Wie gut das Gefühl sein kann Leute zu verletzen."

Ich presste meine Lippen aufeinander. Eine Sekunde.
Aber.. Sei nicht wie deine Mutter.
Das sind ihre Worte. Nein, Ibara hat das verdiehnt. Sie soll..

"Vergib ihr wie ich ihm vergeben habe."

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"Dad, es tut aber weh!"

Tränen flossen mir übers Gesicht und ich schniefte laut, als wieder dieser Stich durch meinen Körper zuckte und sich alles in mir verkrampfte.

"Ich hasse es! Wieso schmerzt es so sehr? Warum ist sie so??"

Ich hörte meinen Vater schnauben und öffnete meine Augen, die ich zu lange fest zusammengekniffen habe.
Er sah genauso erschöpft wie ich aus.
Aber im Gegenteil zu mir war das Leuchten in ihnen verschwunden.
Wie, als hätte er aufgegeben.

"Weißt du mein Schatz, manchmal sind Menschen so. Manchmal tun sie schlechte Dinge, verletzen andere und bereuen es nicht einmal."

"Aber wieso ist das so?!"
Die Bilder von meiner Mutter, wie sie nach einem langen Streit das Haus verließ und mich für Stunden alleine ließ gingen mir nicht aus dem Kopf.
Ich brauchte sie, ich war doch erst zehn.

Dad sah mich geduldig an und wartete bis ich wieder schwieg und mich einigermaßen beruhigt habe.
"Wenn es Leuten nicht gut geht und sie "kaputt" sind, dann meinen sie andere verletzen zu müssen, um sich besser zu fühlen. Eigentlich wollen sie es nicht, aber in dem Moment wissen sie nicht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen sollen und finden keine andere Lösung, als diese in Zorn und Hass umzuwandeln."

"Trotzdem ist es nicht in Ordnung.", entgegnete ich und verschränkte meine Arme.

"Ja, das ist es nicht."

Wieder diese Pausen.
Wie, als hätte mein Vater schon die Kraft verloren zu diskutieren.
Warscheinlich hatte er das auch.

"Aber das einzige, was du dann tun kannst ist es ihnen zu vergeben.
Auch wenn es diesen Personen egal ist und sie es eigentlich nicht verdiehnt haben sollst du es immer tun. Und weißt du warum?"

Ich schüttelte meinen Kopf und mein Vater lächelte, bevor er sich näher zu mir setzte und sagte: "Weil es genau für zwei Dinge in dir gut ist. Einmal hier.." Er tippte mit seinem Zeigefinger auf meinen Kopf.

"Und dann noch das wichtigste, hier." Jetzt legte er seine warme Hand auf meine Brust, wo mein Herz klopfte und auf irgendeine komische Weise fühlte ich mich besser. Befreiter.

"Okay.", war das einzige, was ich in dem Moment sagen konnte und nickte.
Ja, es war schwer, nahezu unmöglich ihr zu vergeben, aber ich würde es tuen. Für mich und meinen Vater.
Nur für uns.

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Ich schüttelte meinen Kopf und stieß mich vom Tisch ab.
"Egal, ich vergebe dir."

Und ohne auf irgendeine Antwort von ihr, oder eine Reaktion von den anderen abzuwarten, drehte ich mich um und ging einfach. Aber statt auf den Boden zu blicken und mich vor dem zu fürchten, was unmittelbar vor mir stand, bog ich meinen Rücken durch und erhob mein Kinn.
Nie wieder. Es wird nie wieder so wie früher sein.

Nachdem ich das Klassenzimmer verließ und die Tür hinter mir schloss, wurden jedoch meine Knie weich und ich musste mich gegen eine Wand lehnen. Ich war mir sicher, dass sich das hier in der ganzen Schule rumsprechen würde.

Meine Hände zitterten immernoch und ich atmete tief ein und versuchte irgendwie meinen Blutdruck zu senken. Doch als ich auf einmal ein Räuspern hörte, schreckte ich auf und mir wurde erst jetzt klar, dass ich nicht alleine war.

"Y/n."
Katsukis tiefe Stimme sorgte für ein Kribbeln in meinem Magen, aber ich wandte mich nicht zu ihm.
"Fuck.", presste ich nur raus und meine Lippen bebten.

Ich hörte ihn auf mich zukommen, senkte aber darauf meinen Gesicht, weil ich nicht wollte, dass er sah, wie sehr mich das gerade mitgenommen hatte. Katsuki stellte sich so nah vor mich, dass ich seinen Atem spüren konnte und ich ging reflexartig einen Schritt zurück.

"Katsuki, ich kann das nicht.. Du hast nicht gesehen, was da passiert ist. Du.."

Ich verstummte sofort, als er mein Kinn anhob und dafür sorgte, dass ich ihm direkt in die Augen schaute.
"Oh doch das habe ich, ich habe alles mitangesehen und du kannst mir nicht einmal annähernd glauben wie stolz ich auf dich bin."

Auf seinen Lippen bereite sich ein leichte Lächeln aus und er musterte jedes einzelne Detail meines Gesichts.
"Du musst dich nicht mehr verstecken,", schien er sagen zu wollen und ich hielt seinem Blick stand.

Mir schossen eintausend Dinge durch den Kopf, Schreie, Rufe und Fragen, aber alle wurden auf irgendeine Weise von Katsuki beantwortet.
Und das alles indem er schwieg.

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