Kapitel 69


Katsuki:

Als mir Y/n erzählte, dass sie einen Freund hatte, zerbrach etwas in mir.
Es fühlte sich so an, als hätte jemand mein Herz in seine Hände genommen und es daraufhin einfach zerquetscht.

Ich wusste, dass ich sie liebte.
Aber dieses Gefühl.. es war stärker und intensiver, als beim letzten mal.
In meiner ersten Beziehung erinnerte ich mich nicht einmal mehr an diese typischen Gefühle, die man verspührte, wenn man verliebt war. Dieses Kribbeln im Bauch, Herzrasen und vielleicht auch ein wenig Eifersucht. Das gab es irgendwie nicht. Vielleicht am Anfang kurz.

Aber sonst lief alles den Bach runter.
Ich hatte nur noch diese Angst, Sorge und Schuld im Kopf, wenn ich an sie dachte. Sie war kaputt. Wie Y/n.

Mein Herz blieb für einen kurzen Moment stehen, als ich an den einen Abend mit Y/n zurückdachte.
Fuck. Spühre ich vielleicht so eine Bindung zu Y/n, weil sie ihr so ähnlich war? Weil das alles hier, viel zu ähnlich ist?
Die ganze Handlung spielt sich gerade verdammt nochmal von neuem ab.

Ich schüttelte meinen Kopf und atemte tief ein und aus.
Die Luft roch etwas säuerlich, da es vor wenigen Minuten geregnet hatte und meine Haare waren noch komplett nass.

Eigendlich wäre ich schon längst Zuhause, doch irgendwie konnte ich nicht dorthin gehen. Ich konnte und wollte diesen Tag nicht enden lassen, obwohl mein ganzer Körper regelrecht darum bat mich endlich ins Bett fallen zu lassen.

Warscheinlich brauchte ich einfach nur Zeit zum Denken. Es war zu viel passiert und ich musste den ganzen Scheiß erst mal sortieren. Denn gerade befand ich mich innerlich in einem Stabel voller in Chaos geratener Papiere und musste alles wieder in Ordnung bringen.

Und die meisten waren von Y/n.
Nein, ich liebte sie nicht wegen meiner früheren Beziehung.
Ich hätte diese Art von Liebe nie wieder zugelassen. Aber.. nein.

Ich würde sie nie im Leben nur aus Mitleid und Sorge lieben.
Sie.. Y/n war stark. Und sie würde nie wollen, dass man sie bemitleidete.
Das war mir schon an dem Tag, wo ich sie zum ersten mal gesehen habe klar.

Aufeinmal trat ich ausversehen in eine Pfütze und fluchte leise.
Meine Socken sogen gleich darauf das dreckige Wasser ein und ich bereute es doch, einen Umweg genommen zu haben.
Ich war so in Gedanken vertieft gewesen, dass ich sogar eine bescheuerte Pfütze übersehen habe.

Hör auf über sie nachzudenken.
Sie liebt dich nicht, sie hat doch einen Freund!
Mein Magen zog sich plötzlich zusammen und erst jetzt fiel mir auf, dass ich nicht wusste, wer ihr Freund denn überhaupt war. Ich war mir sicher, dass ich es in dem Moment auch garnicht wissen wollte. Und schon garnicht von ihr.

Aber hat die Klasse was von ihrem Freund in Kenntniss genommen?
Bestimmt ihre Freundinnen, aber weiß vielleicht Kiri auch was, er ist ja jetzt enger mit Mina geworden.
Nein sicher nicht, er hätte es mir bestimmt gesagt. Er weiß, dass ich Y/n mag. Ja, er hätte es mir gesagt, er ist nicht Denki.

Y/n:

Nachdem ich die Zimmertür hinter mir schloss, schwand die ganze Müdigkeit und ich war komplett wach.

Die Stimmen und Bilder bohrten sich praktisch in mein Hirn und ich musste mich sogar an die Wand lehnen, um mich gleich darauf auf den Boden sinken zu lassen.

"Du bist wie sie. Du bist kein Stück besser, als deine Mutter."

Nein. Halt deine scheiß Fresse!
Atme.

Ich würde meine Kraft nicht mehr entfesseln. Es war mir scheißegal, ob sie jetzt aufeinmal ihre Farbe und Funktion gewechselt hatte, denn die Stimmen blieben noch.

Diese ganzen Erinnerungen würden nie wieder aus meinen Kopf gehen.
Der Spiegel. Ich würde jeden verdammten Tag die Reflektion von meiner Mutter in mir selber sehen.
Schon bei dem Gedanken wurde mir Übel.

Ich spürte, wie mir langsam salzige Tränen über die Wange rollten und mein ganzer Körper sich verkrampfte.
"Du bist wie ich. Gib auf. Gib einfach auf."

Sie durchdringten mein Ohr und hallten tief in meinem Magen nach.
Jeder Zentimeter dieser fürchterlichen Dunkelheit erfüllte mich regelrecht und ich fing aus lauter Panik an zu zittern.
Diese Stimmen kommen aus deinem Gehirn. Das ist nicht echt. Das alles hier ist nicht echt. Das alles..

Ich schloss fest meine Augen und zog meine Beine an mich, während meine Lippen bebten. Gleich darauf versuchte ich alles zu vergessen.
Wirklich alles. Jede einzelne Erinnerung von hier zu verbannen und meinen Kopf neu zu starten.

Das alles hier ist nicht echt.
Du lebst nicht in Tokio.
Deine Eltern lieben sich und dich.
Du hast Freunde und bist glücklich.
Du ritzt dich nicht.
Du willst leben.
Das ist echt.

"Ist es das, was du willst?"

Die raue Stimme meines Vater klang gebrochen und ich wusste genau, was er fühlte. Obwohl er selber so viel erlebt hatte, versuchte er vom ganzen Herzen mir nicht seine schwache Seite zu zeigen. Obwohl er schon aufgegeben hatte, tat er so, als würde er kämpfen.
Und das nur für mich.
Damit ich mich besser fühlte.
Aber das tat ich nicht.

"Ja.", antwortete ich kurz und schniefte. Ich wischte mir mit meiner Handgelenk über mein nasses Gesicht und massierte gleich darauf meine schmerzenden Augenlieder.
Ich hatte meine ganzen Nervenzusammenbrüche schon aufgehört zu zählen.

"Du würdest also lieber in einer kompletten Lüge leben, als die Wahrheit zu erfahren?"

Ich nickte.
"Die Lüge tut wenigstens nicht weh."

Mein Vater stieß hörbar die Luft aus und schüttelte seinen Kopf, bevor er sich dann zu mir beugte und mir eindringlich in die Augen blickte.
"Hör mir zu, denn das ist wichtig.
Für dein Leben."

Ich zog meine Brauen hoch und verschränkte meine Arme.
"Deine Lebensweisheiten werden mir bald auch nichts mehr bringen, wenn du weg bist."

"Doch, diese schon. Wenn du dich für Warheit oder Lüge entscheiden müsstest, dann nimm immer die Warheit. Ja, sie tut weh, aber egal wie stark die Schmerzen sind, du wirst wachsen. Du wirst lernen mit dieser klarzukommen und zu deinem Vorteil zu nutzen. Denn alles wird irgendwann ans Licht kommen, egal wie sehr man es zu verbergen versucht. Lügen sind für schwache Leute, die nicht das akzeptieren wollen, was eigendlich genau vor ihnen ist. Solche Leute sind die unglücklichen Menschen. Denn wenn man mit einer Lüge lebt, wird man auch als eine Lüge sterben."

Er verschränkte ebenfalls seine Arme und lehnte sich wieder zurück.
"Deine Mutter ist beispielsweise eine sehr gute Lügnerin. Sie ist eine praktische Gestaltswandlerin. Für manche ist sie 37 und für andere 28.
Nicht einmal ihre eigenen Eltern kennen sie."

Ich zog scharf die Luft ein und warf einen Blick aus dem Fenster, wo sie gerade aus der Einfahrt gefahren ist.

"Und jetzt schau sie dir mal an.
Wir wissen beide, dass sie unglücklich ist. Sehr sogar."

Mein Vater wollte noch etwas sagen, aber ich unterbrach ihn.
"Das gibt ihr aber nicht das Recht so etwas zu tun! Ich hasse sie einfach." Ich wollte ihr einfach nur noch ins Gesicht schlagen.

Seine Munfwinkel zuckten.
"Sie wurde schon genug in ihrem Leben bestraft. Und du bestrafst dich damit nur selber, wenn du dich mit alldem befasst. Es wird schon alles gut gehen."
Lüge.

Dad lächelte mich aufmunternd an und zog mich gleich darauf in eine Umarmung. "Ich hab dich lieb."
Seine Worte erreichten mich aber nicht mehr.

Diese Welt ist unfair.
So, so unfair.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top