Kapitel 56
Y/n:
Die letzten zwei Tage waren eines der schmerzvollsten und schlimmsten meines Lebens gewesen.
Aber ich war mir sicher, dass dieser hier alles übertrumpfen würde.
"Und geht's dir schon besser?"
Ich legte noch schnell meine letzten Bücher in meinen Spint, bevor ich ihn schloss und Kyoka eindringlich in die Augen schaute.
"Sehe ich so aus?", fauchte ich sie an und biss mir gleich darauf auf die Zunge, weil ich eigendlich nicht vorhatte, sie in so einem Ton anzufahren.
Doch sie schüttelte nur ihren Kopf und legte bekräftigend ihre Hand auf meine Schulter.
"Okay, das war eine dumme Frage. Tut mir leid."
Ich antwortete nicht, sondern schnaubte nur, während wir schnellstmöglich durch den Flur hasteten.
Meine Beine fühlten sich immernoch wie Wackelpudding an und am liebsten wäre ich heute im Bett geblieben.
Aber dann hätte ich mich meiner Mutter rechtfertigen müssen und ich hatte ja so schon ein unglaubliches Glück, dass sie nicht erfahren hatte, was wirklich auf dieser Party abging.
Schon als ich den ersten Schritt ins Schulhaus wagte, wurde ich von mindestens 30 Schülern überfallen.
Sie jubelten mir zu, klopften mir sogar auf die Schulter und manche filmten mich sogar.
"The fearless queen", so haben sie mich genannt. Und ich wusste größtenteils nicht einmal wieso ich diesen Namen verdiehnt hatte.
Natürlich erinnerte ich mich an ein paar Fetzen von dem Abend, aber die meisten bestanden nur aus bunten Lichtern und Gelächter.
Doch mehr war da auch nicht.
Alkohol und Musik. Keine Gesichter oder Emotionen. Nichts womit ich etwas anfangen konnte.
Die eine Stelle am Kopf fing erneut an zu pochen, weswegen ich mich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierte.
"Hast du vielleicht Shoto gesehen?", fragte ich Kyoka und mir wurde sofort mulmig.
Er hatte sich immernoch nicht gemeldet und aus irgendeinem Grund fühlte ich mich Unwohl dabei, ihm zu schreiben. Ich war mir sicher, dass ihm das, was er am Freitag Abend gesehen hatte, nicht gefallen hatte. Und wenn ich jetzt einfach so tuen würde, als wäre nichts passiert, wäre das ganze noch komischer als es schon war.
"Nein. Aber habt ihr immernoch keinen Kontakt gehabt?"
Ich schüttelte nur meinen Kopf und senkte meinen Blick auf den Boden.
Ich wusste nicht, wieso alle mich für diesen Scheiß feierten.
"The fearless queen"
Bin ich die einzige, die diesen Namen komplett bescheuert findet?
Ich habe mich betrunken, bis ich dichter, als ein Wald war, habe mich fast ganz nackt ausgezogen und irgendwelche Drogen genommen.
Und damit diesen Namen verdient?
"The fearless bitch" wäre um einiges zutreffender.
Ich verstand das alles hier nicht.
Aber anscheinend musste ich das auch nicht. Kurz vorm Klassenzimmer angekommen, bemerkte ich Momo, die gerade ebenfalls reingehen wollte.
Eigendlich trafen ich, Kyoka und sie uns immer vor dem Schulgebäude, um alle gemeinsam reinzugehen, doch heute würdigte sie uns nicht mal eines Blickes.
"Haben wir irgendetwas falsch gemacht?", erkundigte ich mich bei meiner Freundin und spielte nervös mit meinem Armband, welches mir mein Vater vor drei Jahren im Urlaub gekauft hatte.
Als ich an die Zeit zurückdachte schmerzte mein Herz.
Wenn ich meinem früheren Ich die ganze Scheiße von jetzt erzählt hätte, hätte sie mich ungläubig ausgelacht.
Niemals hätte sie mir das abgekauft.
Ich spührte, wie meine ganze Haltung sich versteifte und meine Augen brannten und fluchte innerlich.
Scheiße, ich denke wieder daran.
Hör auf damit und verbann das alles wieder aus deinem Kopf.
Falls es irgendetwas gäbe, um meine ganze Vergangenheit zu löschen, würde ich es ohne darüber nachzudenken tuen. Auch wenn es bedeutete, die guten Erinnerungen mit meinem Vater zu vergessen.
Ich würde es tuen. Um jeden Preis.
"Y/n?"
Abrupt wandte ich meinen Blick von dem Armband wieder ab und räusperte mich. "Ja?", antwortete ich und fügte dann noch hinzu: "Tut mir leid, ich war gerade ein bisschen weg."
"Ich habe gesagt, dass ich keine Ahnung habe, was mit ihr los ist. Aber ich habe gestern noch mit ihr telefoniert und da schien sie ganz normal zu sein.", meinte sie und starrte Momo mit dem gleichen nachdenklichen Gesichtsausdruck wie ich nach.
Ist sie sauer auf mich oder so?
Hab ich sie auf der Party vielleicht irgendwie scheiße behandelt?
Hätte gut möglich sein können, wie daneben ich war.
"Ich rede mal mit ihr.", beschloss ich schließlich und drehte mich wieder zu Kyoka.
Sie nickte und sagte "Geht klar", bevor sie ins Klassenzimmer ging.
Ich folgte ihr in den Raum und ehe ich mich überhaupt nach Momo umsehen konnte, rempelte mich Denki an.
"The fearless queen! Ich will eine Revanche auf der nächsten Party! Das war voll unfair, ich war schon komplett weg, als du den Rekord gebrochen hast!"
Er musterte mich eindringlich von oben bis unten und trat mir unangenehm nahe.
Unter seinen strahlenden Augen zeichneten sich wie auch bei mir dunkle Augenringe ab und seine Haare waren komplett zerzaust.
Es schien so, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen und habe sich nur mal schnell umgezogen.
Als ich gerade etwas verzweifelt nach irgendeiner Antwort suchte, platzte zum Glück Kyoka zwischen uns und warf Denki einen funkelnden Blick zu.
"Lass sie doch mal in Ruhe und setz dich mal auf deinen Platz! Wir wissen alle das du ein ADHS Kind bist, aber es reicht auch mal. Und find dich damit ab, dass du in Trinkspielen nicht immer der beste bist!", fuhr sie ihn an und die Klasse wurde still um uns herum.
Anscheinend war Kyoka auch nicht bei bester Laune.
Auf Denkis Gesicht spielte sich ein provokantes Grinsen ab, als er sagte:
"Achja, und wollen wir beide auch mal ein Spiel spielen? Dann könnte ich dir zeigen, worin ich wirklich gut bin. Du kannst ja heute mal zu mir kommen." Er trat ihr so nah hingegen, dass sie nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren.
Ich hörte wie ein paar Leute scharf die Luft einzogen, tuschelten und kicherten, aber der Gesichtsausdruck von meiner Freundin regte sich nicht.
Und obwohl Denki um einiges größer als Kyoka war, distanzierte sie sich keinen einzigen Milimeter und blickte ihm voller Kälte in die Augen.
Ich war kurz davor einzuschreiten, bis sie aufeinmal die unbehagliche Stille brach.
"Ich weiß nicht wie viel du getrunken oder geraucht hast.", sagte sie in einem ruhigen zugleich aber auch vernichtenden Ton. "Aber wenn du dich erst so zudröhnen musst bis du komplett dicht bist, um jemanden mal richtig hässlich anzubaggern, dann.. würde ich mich an deiner Stelle bis zu Grund und Boden schämen."
Seine Augen weiteten sich etwas und er atmete hörbar aus.
"Ich..", stammelte er, aber Kyoka fiel ihm ins Wort.
"Alles gut, du solltest nur nächstes mal darüber nachdenken wen du so anmachst." Kyoka lächelte ihn plötzlich freundlich an und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, ehe sie sich von ihm abwandte und sich auf einen Stuhl setzte.
Alle um sie herum waren komplett still und musterten sie beeindruckt.
Mir selbst klappte die Mundlade nach unten.
Wow. Natürlich wusste ich, dass sie selbstsicher und Mental unzerstörbar war, aber dass sie nicht einmal bei so einen Spruch rot anlief..
Obwohl ich Denki keineswegs attraktiv fand, wäre ich an ihrer Stelle so rot wie eine Tomate geworden.
Nachdem mir auffiel, dass es wieder Luft zum atmen gab, schaute ich mich hastig um.
Als ich Katsuki als erstes bemerkte und er mich ebenfalls mit Blicken durchlöcherte, wandte ich mich schnell wieder ab und widmete mich den anderen.
Ich spührte immernoch seinen Blick auf meinem Nacken, aber das war mir gerade komplett egal.
Nachdem ich den leeren Platz von Shoto entdeckte, stieß ich einen leisen Fluch aus. Ich habe mich jetzt zwei Tage mit dem Scheiß gequält und mich auf heute verzweifelt vorbereitet. Und genau jetzt ist er nicht da.
Toll Y/n, mal wieder bist du der größte Glückspilz auf Erden.
Schlussendlich ging ich auf Momo zu, um ihr gleich zu sagen, dass wir reden mussten.
Aus irgendeinem Grund war ich nicht überrascht, dass sie mich keines Blickes würdigte, sogar als ich auch wirklich genau vor ihrem Tisch stand.
"Hey.", stieß ich etwas gepresst hervor und wippte ungeduldig von einem auf dem anderem Fuß.
"Hi." Sie wandte sich nicht zu mir, sondern kritzelte immernoch etwas in ihr Heft.
"Können wir in der Pause reden?", fragte ich etwas vorsichtig und versuchte ihre Zeichnung zu erkennen.
"Mhm."
Ich war kurz davor ihr Heft zu nehmen und es aus dem Fenster zu schmeißen.
"Ja oder nein?", hackte ich jetzt genauer nach, weil ich eine deutliche Antwort wollte.
"Ja, wenn es sein muss.", antwortete sie dann nach ein paar Sekunden etwas zögerlich und ich schaute sie mit schmalen Augen an.
Ich wusste, dass ich nichts mehr aus ihr rausbekommen würde, weswegen ich es dabei ließ und mich einfach auf meinen Platz setzte.
Es klingelte und Herr Aizawa betrat das Klassenzimmer.
"So liebe Klasse, heute fangen wir gleich mit einem Test an.", verkündete er ohne überhaupt etwas davor gesagt zu haben.
Fuck, ich habe nicht gelernt.
Anscheinend die anderen auch nicht, da die Hälfte von Allen lautstark protestierte.
Unser Lehrer lachte nur etwas höhnisch und teilte die verdammten Trennwände aus.
Jap, wir alle werden komplett am Arsch sein.
---------------------------------------------------------
"Okay, was habe ich gemacht?"
Als die Stunde nach einer gefühlten Ewigkeit vorbei war, ging ich gleich auf Momo zu, damit sie auch keinen Fluchtversuch starten konnte.
Ich konnte nur zwei Fragen in dem Test beantworten, was mir aber relativ gleichgültig war, weil ich nur zwei Dinge im Kopf hatte.
Was mir ihr los war und wieso Shoto nicht in der Schule war.
"Was meinst du?"
Zum ersten mal schaute sie mir direkt in die Augen.
Ich zog ungläubig eine Braue hoch und inspizierte jeden einzelnen Gesichtsausdruck von ihr.
Sie versuchte verwirrt auszusehen, aber ich bemerkte den Schatten, welcher sich in ihren Augen spiegelte.
"Momo, bitte. Du benimmst dich schon seit drei Wochen seltsam, wenn ich in deiner Anwesenheit bin.", sagte ich und sie blinzelte.
Im Gang war es relativ laut, weswegen wir eng beieinander stehen mussten. Es gab immernoch ein paar Leute, die mich wegen der Party ansprachen und wir konnten uns gerade so von ihnen losreißen.
"Nein tue ich nicht. Ich habe keine Ahnung wovon du redest.", erwiderte sie jetzt mit einer kräftigeren Stimme und verschränkte aufgeschlossen ihre Arme vor der Brust.
Will sie mich eigendlich komplett verarschen? Das kann nicht ihr Ernst sein.
Ich gab mir Mühe ruhig zu bleiben, da ich allmählich die Geduld verlor und versuchte es erneut.
"Momo, du musst verstehen, dass ich mir Gedanken mache. Ich habe dich
wirklich gern als Freundin und ich möchte auch das es so bleibt. Und deswegen will ich, dass du mir sagst, was dich stört." Ich machte eine kurze Pause, bevor ich fortfuhr.
"Denn ich weiß nicht was ich falsch gemacht habe und muss es wissen. Bitte sag es mir, damit ich mich ändern kann."
Ich dachte an die früheren Tage zurück, wo wir uns gleich am Anfang prächtig verstanden haben und viel gelacht haben.
Obwohl ich ihr nicht so sehr wie Kyoka vertraute, war sie trotzdem einer meiner besten Freunde. Mit ihr konnte man immer etwas neues machen und sie hatte eine einzigartige Art.
Ich wollte diese Freundschaft mit ihr wirklich nicht verlieren.
"Ich..-", fing sie nach ein paar Sekunden endlich an, aber sie wurde von einer anderen Stimme unterbrochen.
"Oh hallo!"
Augenblicklich blieb mein Herz stehen und die Welt fing an zu schwanken. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand mit voller Wucht in den Magen getreten.
Diese Stimme. Diese verdammte Stimme, die schlimmer ist, als die von meiner Mutter. Nein, das..
Als ich mich umdrehte, war ich kurz davor einzusacken.
Die dunkelgrünen Haare, ihr schmales Gesicht, diese.. hasserfüllten Augen. Fuck.
"Lange nicht mehr gesehen, Y/n.", sagte Ibara mit einer zuckersüßen Stimme und spuckte meinen Namen wie immer regelrecht aus.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top