Kapitel 40


Y/n:

Ich war kurz davor zu platzen.

Meine Lunge schnürte sich komplett zu und mein Atem ging nur noch stoßweise.

Alles in mir verkrampfte sich und die Risse in meiner Brust vergrößerten sich. Hilfe. Bitte, kann mir jemand helfen?

Ich konnte nicht mehr.
Es fühlte sich an, als würde ich wieder in ein endlos langes Loch fallen und nur darauf warten, auf den Boden aufzuprallen.

Ich hatte Angst.
Nein, nicht vor meiner Mutter, sondern vor mir selbst.

Ich fühlte, wie sich meine Gedanken langsam vernebelten und ich die Kontrolle verlor. Nein, nein.. ich..
Scheiße.

Langsam stand ich auf und ich wusste genau, was ich suchte.
Mein Innerstes wehrte sich und ich war mir bewusst, dass ich es nicht tuen durfte.
Aber ich konnte mich nicht aufhalten.
Es ist eine Sucht und ich hasste und liebte sie zugleich.

Doch als ich gerade schon dabei war irgendetwas scharfes zu suchen, sirrte aufeinmal mein Telefon.

Ich warf einen kurzen Blick darauf und las Kyoka:) auf dem Display.
Es war ein Videocall und ich war mir sicher, dass ich in diesem Zustand nicht rangehen würde. Doch..
Nein.

Sie soll nie über meine Probleme erfahren. Niemand soll je über das alles hier bescheid wissen. Wenn man sich Leuten öffnet, dann macht man sich auch verletzlich.
Nie wieder will ich so verletzt werden.
Nie wieder.

Ich ließ das Telefon klingeln.
Aufeinmal war es still.
Es fing wieder an zu klingeln.
Ich ließ es klingeln.
Stille.
Wieder klingeln.
Und das ganze weitere zwei Mal.

Ich hockte in der einen Ecke meines Zimmers und bei jedem weiteren klingeln wurde ich immer nervöser.
Eigendlich hätte ich auch einfach das Handy auf stumm stellen können, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Das Geräusch lenkte mich ab.

Kyoka rufte jetzt schon zum fünften Mal an und ich wurde ungeduldig.
Was, wenn sie Hilfe braucht? Ist vielleicht was passiert? Sie hat noch nie so oft angerufen. Nein, aber ich kann mich nicht melden. Ich schreib ihr einfach, dass ich nicht kann.

Ich nahm mein Telefon und ging auf WhatsApp. 13 Nachrichten von ihr.
Ich schluckte, als ich auf ihren Chat ging und mir die Nachrichten durchlas.

Kyoka:):

Kyoka: -Y/n! S.O.S.
-Ich brauche dringend deine Hilfe, geh ran!
-Y/N!
-Ich schlag dich wenn du nicht ran gehst.
-Y/n, geh ran.
-Y/n, bitte.
-Wirklich, es ist ein Notfall.

Die anderen Nachrichten las ich nicht einmal durch, sondern rufte sie sofort ohne Videocall an.

Das Handy klingelte nicht einmal, schon ist sie drangegangen.

"Y/N!"

Obwohl sie sogar auf ganz leise gestellt war, zuckte ich zusammen.
Meine Stimme war noch komplett rau und ich traute mich nicht zu antworten.

"Hallooo?? Wieso bist du vorhin nicht rangeganen?! S.O.S, ich habe einen Notfall!"

Ich knackte nervös meine Finger und biss mir auf die Lippen.
Scheiße, was soll ich machen?? Wenn ich etwas sage, dann hört sie, dass ich geweint habe.

"Y/n? Alles gut bei dir? Bist du noch da?"

"Ja.", antwortete ich knapp und versuchte meine Stimme so gut es ging zu verstellen.

"Y/n, was ist los?" Scheiße, sie glaubt mir nicht.

"Nichts, mir geht's gut, wirklich.", erwiederte ich und meine Stimme brach in der Mitte des Satzes.

"Y/n." Es blieb ruhig zwischen uns und ich verfluchte mich innerlich.
Kyoka leg auf. Lass mich in Ruhe, lass mich verdammt nochmal in Ruhe!

"Was ist denn jetzt der Notfall?", fragte ich nach ein paar Sekunden, meine Stimme nicht lauter, als ein Flüstern.

"Mach mir nichts vor, ich bin in zehn Minuten bei dir.", sagte sie plötzlich und mein Herz blieb stehen.

"Nein." Sie antwortete nicht und ich hörte nur im Hintergrund den Reißverschluss von einer Tasche zugehen.

"Kyoka, mir geht's gut. Wirklich.", versicherte ich ihr und musste mir ein Schniefen unterdrücken.
Sie darf nicht kommen. Bitte, sie darf nicht kommen! Nicht jetzt.

"Kyoka, ich werde dich nicht rein lassen." Wieder keine verdammte Antwort. "Bitte, mir geht's gut.", flehte ich sie an und meine Augen füllten sich wieder mit Tränen.
Sie soll mich nicht so sehen. Niemand soll das.

"Ich gehe jetzt los.", hörte ich sie aufeinmal nach ein paar Minuten sagen und ich sprang abrupt auf.

"Nein."

"Doch."

"Kyoka mir geht's gut." Ich schniefte ausversehen und hörte darauf gleich ein ironisches Lachen von ihr.

Ich lasse sie nicht rein. Aber dann wird meine Mutter sie reinlassen und ich kann ihr nicht sagen, dass sie Kyoka nicht reinlassen soll, weil sie mich dann so sieht. Scheiße, es gibt keinen Ausweg.

Ich spührte wie mein Adrenalin hochging und wurde wütend.
"KYOKA LASS MICH DOCH EINFACH IN RUHE VERDAMMT! ICH WILL DICH NICHT BEI MIR HABEN!"

Sie legte auf.
Aber ich wusste, sie würde sowieso kommen.
Sofort sprang ich auf und rannte ins Bad. Ich schaute nicht einmal in den Spiegel, weil ich mir sicher war, dass ich grauenhaft aussah.

Zehn Minuten.
Ich würde es nie schaffen in der Zeit wieder ganz normal aussehen zu können.

Trotzdem wusch ich so schnell es ging mein Gesicht ab und suchte mir passende Kleidung heraus.
Immer wieder kamen mir die Tränen und es war einfach unmöglich, das meine Augen nicht mehr gerötet waren.

Obwohl ich mir zu 100% sicher war, dass Kyoka kommen würde, hoffte ich trotzdem, dass sie zuhause blieb.
Denn auch wenn sie da wäre, würde ich nichts sagen. Ja, sie ist ein wundervoller Mensch, aber ich würde nicht einmal meinem Vater meine Probleme anvertrauen.

Aufeinmal klingelte es an der Tür.
Ich kaute an meinen Nägeln, ging im Zimmer hin und her und hoffte, dass meine Mutter sie nicht öffnete.
Aber das war Wunschdenken.

Von unten kamen Geräusche und ein paar Sekunden darauf, hörte ich ein "Y/n, eine Freundin von dir ist hier, komm runter!".

Ich blieb immer noch in meinem Zimmer und war kurz davor, sie abzuschließen. Aber das würde zu weit gehen.

Ich hörte wie sich aufeinmal die Tür öffnete, aber ich traute mich nicht aufzuschauen.
"Y/n? Was ist los??" Kyoka schloss die Tür und kam hastig auf mich zu.

Ich zog mich weiter zurück und vergrub mein Gesicht in meine beiden Handflächen.
Die Tränen kamen mir wieder hoch und ich gluckste. Geh weg, geh weg, geh weg!

Ich fühlte, wie sie sich neben mir auf das Bett saß und mich in die Arme nahm.
"Hey, du kannst immer mit mir reden."

Sofort bereitete sich Wärme in mir aus und für einen kurzen Moment fühlte ich mich wohl, aber ich ließ dieses Gefühl nicht in mein Herz dringen. Ich will aber nicht mit dir reden. Geh weg, bitte.

Ich wusste, dass sie es nur gut meinte, aber irgendetwas in mir sträubte sich, sich zu öffnen.

"Bitte rede mit mir. Was ist los?", hörte ich sie mit einer weicher zugleich auch besorgter Stimme sagen und sofort bekam ich Schuldgefühle.
Sie macht sich sorgen um mich und ich Miststück stoße sie einfach von mir ab. Aber was soll ich auch machen? Sie ist hergekommen, obwohl ich es nicht wollte und..

"Y/n? Bitte schau mich an."

Langsam hob ich meinen Blick und schaute ihr in die Augen. Ihre Pupillen weiteten sich für einen kurzen Moment, doch sie zog mich schlagartig wieder in eine Umarmung.

"Egal was passiert ist, ich bin für dich da. Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst."

Sie streichelte mir sanft über dem Rücken und ich erinnerte mich an die Umarmung vor zwei Tagen, wo sie es ebenfalls gemacht hatte.

Ich schluckte und krümmte mich leicht. "Es ist nur..", fing ich an, ließ es dann aber sein.

Ich wollte ihr alles sagen.
Zugleich aber auch nicht.

Wir kannten uns nicht so lange, doch es fühlte sich gerade so an, als wären wir seid Jahren beste Freunde.
Ich vertraute ihr, aber ich vertraute auch meinem Gehirn, welches mich jede Sekunde davor warnte, zu viel zu sagen.

"..ich bin nur etwas wegen der Trennung und dem Umzug mitgenommen.", beendete ich dann den Satz.

Es war keine Lüge, aber auch nicht die ganze Warheit.
Naja, es war vielleicht 1/10 der ganzen Warheit.

Sie blickte mir für einen Moment tiefgründig in die Augen und ich hielt meinen Atem an. Ich war mir sicher, dass sie mir nicht ganz glaubte.

"Y/n, du kannst mir vertrauen."
Kann ich das?

"Du musst nicht mit mir reden, aber ich glaube, du solltest es. Es wäre gut."
Wäre es das?

Ich antwortete nicht, aber sie verstand.
"Ist okay." Sie lächelte mich an. "Aber ich lasse dich jetzt nicht allein."

Ich nickte nur und versuchte mir ebenfalls ein Lächeln aufzuzwingen.
"Danke. Das hättest du nicht tuen müssen.", krächzte ich.

"Natürlich, beste Freunde halten immer zusammen."

Mein Herz machte einen Satz und aufeimal löste sich der Knoten in meiner Brust etwas.
Beste Freunde.

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