Kapitel 128
Katsuki:
Mein Kopf war am Platzen.
Alles in mir schrie mich förmlich an die scheiß Tür einzutreten und Y/n aus dem Direktorzimmer rauszuholen.
Ich konnte die Angst in ihren Augen deutlich spüren, als der Direktor ihr erzählt hatte, dass Mr. Shiozaki, Ibara und ihre Mutter dort waren.
Mein Magen zog sich sofort zusammen, als eine weitere Minute verstrich und die Stille im Gang immer lauter wurde.
Das Einzige, was zu hören war, war das Ticken der Uhr, dass mich immer nervöser machte. Ich grub meine Nägel in das Leder des Stuhl und atmete laut aus. Wenn ihr nach dieser Sitzung auch nur ein Haar gekrümmt wurde, werde ich diese Person mit eigenen Händen umbringen. Mir ist völlig egal, ob es sich bei dieser Person um Ibara, den Bürgermeister oder sogar um ihre Mutter handelt.
Meine Kiefernmuskeln spannten sich bei dem Gedanken an, dass Y/n gleich völlig zerstreut aus dem Zimmer kommen würde. Ich habe sie schon so oft am Boden zerstört gesehen und das würde nicht noch einmal passieren. Die letzte Woche war ziemlich schwierig für sie gewesen, weil sie immer noch traumatisiert von den Vorfällen war. Und dass sich nicht mal ihre beschissene Mutter bei ihr melden konnte, machte mich umso wütender. Wie konnte man nur so wenig Interesse an sein eigenes Kind zeigen?
Meine Eltern haben mich noch nie wie ein minderwertiges Stück scheiße behandelt, obwohl ich es zurecht verdient hätte. Y/n war ein Sonnenschein, hätte sie nur ihr Licht nicht unter all diesen Schatten verloren.
Im selben Moment erinnerte ich mich an ihr Lachen, als ich bei ihr war und wir über alles mögliche geredet haben, über das Funkeln in ihren Augen, als ich ihr die Sternschnuppen gezeigt habe, über ihre Gelassenheit, als wir zusammen am Strand von Denki's Party waren. Wir haben so viel erlebt und jedes Mal habe ich sie noch mehr lieben gelernt.
Und sie noch einmal traurig zu sehen, würde mein Untergang bedeuten. Dieser Krieg musste aufhören. Wer auch immer dachte Y/n weiterhin terrorisieren zu können, würde es mit mir zutun haben.
Und..
Sofort wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als ich Schritte von innen hörte. Kurz darauf wurde die Tür aufgemacht und ich stand automatisch auf. "Danke, dass du gekommen bist Y/n. Es hat uns sehr gefreut und ich hoffe, dass du auf deinem zukünftigen Weg jedes Glück bekommst. Ich werde jetzt noch mit den anderen drein reden und mit ihnen noch etwas besprechen.", sagte der Direktor, als er Y/n rausgehen ließ und ihre Hand schüttelte.
"Vielen Dank.", antwortete sie und lächelte.
Als die Tür geschlossen wurde, ging ich sofort auf Y/n zu und schloss sie in meine Arme. "Ist alles gut verlaufen? Ist alles in Ordnung bei dir??"
Ihr plötzliches Lachen sorgte dafür, dass sich meine Muskeln entspannen konnten. "Ich sollte eher fragen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Wieso bist du so aufgebracht?"
Auf ihren Wangen bildeten sich Grübchen von ihrem Grinsen, als ich sie überfordert anstarrte und sie ihren Kopf etwas schieflegte. "Hat sich da jemand etwa sorgen um mich gemacht?"
Ich rollte meine Augen und hoffte, dass sie meinen rasenden Herzschlag nicht hören konnte. "Bilde dir bloß nichts darauf ein. Ich wollte mich nur nach deinem Wohlbefinden erkundigen, ich bin doch nicht besorgt." Ich liebte die Necken zwischen uns, doch nicht, wenn sie es war, die mich als dumm darstellte.
Y/n kneifte leicht meine Wange, was mir Hitze in meinen Kopf hochschießen ließ. "Keine Sorge, ich bewahre dein Geheimnis."
"Welches Geheimnis?"
Auf ihren Augen bildeten sich leichte Lachfältchen. "Dass du eigentlich ein Softie bist und dir um alles zu viele Gedanken machst."
Ich zog sie mit meinen Händen, die bereits auf ihrer Taille lagen, zu mir, sodass sich unsere Oberkörper streiften. Ich konnte ihren abgestockten Atem hören und das leichte Rosa auf ihren Wangen sehen. "Provozier mich nicht."
Uns trennten nur wenige Zentimeter und ich war kurz davor auch diesen Platz zwischen uns zu füllen.
"Nein, was denkst du nur von mir?", entgegnete sie gespielt empört und ich verstärkte meinen Griff um ihre Taille.
"Jetzt sag mir schon, was los war. Du weißt, dass das Warten für mich eine Qual war. Und verkneif dir einen dummen Kommentar.", sagte ich und der provokante Blick in ihrem Gesichtsausdruck verschwand.
Ich ließ von ihr ab und ging einen Schritt zurück, um ihr etwas Freiraum zu geben. "Es war wirklich nicht schlimm. Am Anfang hatte ich das Gefühl vor Angst und Wut zugleich in Ohnmacht zu fallen, aber dann.."
Als sie merklich still wurde, wurde mir mulmig. "Aber dann?"
Sie schluckte schwer und wechselte immer wieder ihren Blick zu mir und auf den Boden. "Die Stimmung war komplett anders, als wie ich sie sonst erwartet hätte. Meine Mutter hat sich ernste Sorgen um mich gemacht und Ibara.. Ihr schien das alles wirklich leitzutun. Sie hat sich bei mir von ganzem Herzen entschuldigt und alles klang so wahr. Ich meine, es muss nicht so sein, aber du hast nicht ihren Gesischtsausdruck gesehen Katsuki. Sie war wirklich traurig."
Ich starrte sie ernst an und schüttelte leicht meinen Kopf. "Ich kann mir das bei ihr nicht vorstellen."
Ibara und Reue? Das passte einfach nicht. "Vielleicht hat sie das alles nur vorgespielt, um besser beim Direktor rüberzukommen."
Y/n schüttelte ihren Kopf, bevor sie entgegnete: "Das habe ich mir am Anfang auch gedacht, aber nachdem der Direktor ihr erzählt hatte, dass sie von der Schule geworfen wird.."
"Warte was? Ibara wird von der Schule geschmissen?" Ein Kloß blieb in meinen Hals stecken.
Y/n nickte und ich riss meine Augen noch weiter auf. "Wir reden schon von der gleichen Ibara, oder? Tochter des Bürgermeisters, grüne Haare, eine elende Zicke, die..", fing ich an, doch Y/n ließ mich nicht weiterreden.
"Ja, es ist diese Ibara, wie viele kennst du bitte?"
"Gut, hat die Schlampe auch verdient.", meinte ich und ignorierte ihre Frage.
"Nenn sie nicht so!", erwiderte Y/n und zog ihre Augenbrauen zusammen.
Wieso sollte ich nicht? Sie hat dich fast umgebracht.
Fast hätte ich ihr diese Entgegnung entgegengeschleudert, hielt aber meinen Mund, weil ich sie nicht daran erinnern wollte.
"Über was habt ihr eigentlich geredet?", wechselte ich das Thema und wir gingen langsam Richtung Schulausgang.
Y/n zögerte einen Moment, ehe sie etwas gelangweilt antwortete: "Der Direktor will, dass ich eine Verkündung am Sommerfest mache. Ich soll über meine Erfahrungen von Mobbing sprechen und im Endeffekt sagen, was es für ein Scheiß ist und dass es niemand machen soll."
Mein Magen zog sich für einen Moment zusammen, ehe ich nachhackte: "Und das ist auch wirklich in Ordnung für dich?"
"Ja, ich kann ja nicht richtig "Nein" sagen. Der Direktor hat so überzeugt davon geredet, dass ich es wenigstens versuchen will seinen Traum zu erfüllen. Er wird sowieso nach spätestens zwei Wochen bemerken, dass es nichts gebracht hat und es immer noch Mobbing gibt." Obwohl Y/n so kühl geantwortet hatte, konnte ich in ihren Augen die Trauer und Angst ablesen.
"Es wird etwas bringen.", erwiderte ich in einem festen Ton und starrte sie mit einer seriösen Miene an.
"Wieso glaubst du das?"
"Ich glaube es nicht, ich weiß es. Du bist Y/n L/n und hast mehr durchlebt, als jeder andere. Du hast so viel in den letzten Monaten erreicht, bist selbstbewusster und stärker geworden und hast die Kraft nicht vor deinen Ängsten wegzulaufen. Diese Rede ist nichts, im Gegensatz zu all den anderen Dingen, die du erfahren hast.", erklärte ich und wir blieben stehen.
Auf einmal fiel Y/n's ganzes Selbstvertrauen und vor mir stand wieder das schüchterne, selbstzweifelnde Mädchen.
"Das mag sein, aber die ganze Schule sieht mich als ein schwaches Opfer an. Wer will mir da schon zuhören? Sie machen sich über mich lustig und auch wenn ich ihnen von meinen Erfahrungen erzähle, ich will nicht ihr beschissenes Mitleid. Das hatte ich auch als mein Vater ins Gefängnis musste und ich nach Tokio gezogen bin. Es ist grauenvoll."
Sie blickte auf den Boden, als ich ihre Augen glasig wurden, doch ich umfasste mit meinen Fingern ihr Kinn und hob es an. "Nicht, wenn du die Rede eben wie kein Opfer rüberbringst. Erzähle ihnen auch von deiner Stärke, wie du das alles durchstehen konntest und sei ihnen ein Vorbild. Sag ihnen, dass du nicht aufgegeben hast und jetzt hier mit Stolz stehen kannst. Sei dann kein schwaches Opfer, dass sich nicht wehren kann, weil du es nicht bist. Du bist verdammt stark, Y/n und ich möchte, dass du das endlich in dein Hirn bekommst."
Ihre Lippen spalteten sich, aber aus ihrem Mund kamen für die erste Sekunde keine Worte raus. Sie blickte mir tief in die Augen und ich konnte erkennen, wie sich ihre Pupillen weiteten. "Katsuki, du.."
"Du bist nicht nur wunderschön, sondern auch ein Genie?", vervollständigte ich ihren Satz.
Sie musste anfangen zu grinsen, was für mich ansteckend war. "Und außerdem ein selbstverliebter Großkotz. Aber dafür liebe ich dich umso mehr."
Ein sanftes Stechen fuhr durch meine Brust, als sie die Worte ausgesprochen hatte. "Sag das nochmal."
Y/n verschränkte ihre Arme und starrte mich mit hochgezogenen Brauen an.
"Das sollte kein Kompliment sein."
"Nein, dass du mich trotzdem dafür liebst.", erwiderte ich und trat ihr näher.
"Du hast mir auf dem Strand gesagt, dass du auch meine Makel liebst. Das gilt auch für dich.", sagte sie und mein Herz machte einen Sprung. Himmel, wie sehr ich sie liebe.
Gleich darauf zog ich sie zu mir und presste meine Lippen auf ihre.
Obwohl wir uns in den letzten Wochen schon unzählige Male geküsst haben, konnte ich nie genug von ihr bekommen. Dieses Gefühl in meinem Bauch hielt nie an und es fühlte sich immer wie der Erste an.
"Ich liebe dich.", stieß ich nach einer kurzen Pause aus, als ich meine Hände auf ihre Wangen legte und unsere Stirnen sich berührten.
"Ich..", fing Y/n an, bis sie von einer anderen Stimme unterbrochen wurde und wir uns sofort losrissen.
"Y/n."
Ihre Mutter stand etwa zwanzig Meter von uns entfernt und starrte uns mit einem festen Blick an. "Ich muss mit dir reden."
Y/n:
Das kann doch jetzt nicht wahr sein.
Ich starrte meine Mutter ohne mit der Wimper zu zucken an. "Worum geht's?"
"Können wir bitte alleine reden?", fragte sie etwas zögerlich und schaute kurz zu Katsuki.
"Alles, was du mir zu sagen hast, kannst du auch vor Katsuki sagen.", antwortete ich kühl und sie riss leicht ihre Augen auf.
"Ich wäre mir da nicht so sicher.", erwiderte sie und mir wurde warm.
Nicht vor Nervosität, sondern vor Wut.
"Du..", fing ich an, doch Katsuki fiel mir ins Wort.
"Y/n, ist schon gut. Rede mit ihr alleine."
Ich drehte mich zu ihm und sein wissender Blick sagte mir, dass er sofort zur Stelle wäre, wenn meine Mutter sich seltsam verhalten würde. "Du hast zwei Minuten.", sagte ich schroff zu meiner Mutter und ging auf sie zu.
Ich wollte ihr keinesfalls zeigen, wie sehr sie mich verletzt hatte, weil sie es einfach nicht verdient hat. Ihre Schultern spannten sich merklich an, als sie mit mir ein paar Meter weiter weg ging und wir uns hinter dem Parkplatz wortlos anstarrten.
"Also?" Die Sekunden verstrichen schon.
"Es tut mir sehr leid, was passiert ist."
Mein Herz blieb stehen, doch ich ließ es mir nicht anmerken. "Nur ein "es tut mir leid" reicht nicht. Weißt du überhaupt, was du mir angetan hast? Wegen dir musste ich mein ganzes Leben umkrempeln und bin überhaupt in diese Scheiße reingeraten. Ich habe noch nie so gelitten wie in den letzten Tagen und du hast nicht mal nach meinem Wohlbefinden gefragt. Du bist meine Mutter verdammt! Du.."
"Es tut mir leid! Es tut mir vom ganzen Herzen leid! Ich weiß, dass ich deine Mutter bin und ich habe als Mutter wirklich versagt.", stieß sie aus und Tränen rollten über ihre Wangen, nachdem sie die letzten Worte nur noch krächzte.
Mir blieb die Luft zum Atmen aus.
Meine Hände fingen leicht an zu zittern und ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
"Ich war in den letzten Monaten in einem Rausch, war süchtig nach Anerkennung, Geld und Aufmerksamkeit, weil ich mit meinen eigenen Problemen nicht klargekommen bin. Ich.. ich war zu sehr mit mir selber beschäftigt, um mich auf dich zu konzentrieren und ich weiß es gibt keine Entschuldigung dafür."
Meine Kehle war staubtrocken, als ich fragte: "Wenn du wusstest, dass ich fast gestorben wäre, wieso hast du mich dann nicht einmal angerufen? Mit mir hätte alles passieren können, verdammt!"
"Ich war in der Zeit in einer Entzugsklinik.", presste sie aus und plötzlich wurde alles still.
"Was?" Meine Lippen zitterten.
Meine Mutter traute sich nicht mir in die Augen zu schauen. "Nach unserem Streit, über.. ich bin gleich danach zu einer Bar gegangen und habe mich so sehr vollaufen lassen, dass ich eine Alkoholvergiftung hatte. Ich lag zwei Tage im Koma."
Ich schnappte laut nach Luft und hielt mir eine Hand vor den Mund.
"Ich bin schon seit langem Alkoholanhängig und mir wurde das erst dann bewusst, als ich aufgewacht war. Ich wurde gleich darauf in eine Entzugsklinik gesteckt und dort waren keine elektrischen Geräte erlaubt. Ich hätte dich in diesem Zustand sowieso nicht anrufen können."
Mein Herz schlug wie wild gegen meine Brust und alles drehte sich in mir.
"Seit wann bist du den abhängig?"
"Seit zwei Jahren. Das ist jetzt aber unnötig, ich wollte dir nur den Grund sagen, wieso ich mich kein einziges Mal gemeldet habe. Eigentlich sollte ich immer noch in der Klinik sein, aber ich wollte unbedingt das Gespräch mit dir suchen. Geht es dir denn jetzt besser?", wollte sie wissen und die Frage klang sogar ernstgemeint.
"Ja, Katsuki hat mir sehr geholfen.", antwortete ich und schenkte ihr ein halbherziges Lächeln.
"Das freut mich. Seid ihr denn auch..?"
"Was ist jetzt mit Mr. Shiozaki?", unterbrach ich sie und der plötzliche Themenwechsel irritierte sie merklich.
Sie presste angespannt die Lippen aufeinander, als sie sagte: "Ich habe alles abgeblasen. Es wird nichts mehr passieren und ich werde mich bald von ihm trennen."
"Und mein Vater?"
Sie zögerte einen kurzen Moment, bevor sie was in ihrer Tasche kramte und einen kleinen Zettel rausholte. "Das werde ich noch regeln, dazu hatte ich keine Zeit, weil ich erst seit heute wieder mein Handy habe. Aber ich habe dir die Nummer von einem Wärter gegeben, der dich mit deinem Vater sprechen lassen kann. Lass mich den Rest regeln, er wird aus dem Gefängnis kommen."
Meine Mutter drückte mir den Zettel in die Hand und ich steckte ihn behutsam ein. Es klang surreal, dass ich einfach meinen Vater anrufen und mit ihm reden konnte. Das letzte Gespräch..
Ich löschte sofort wieder die Szenarien aus meinem Kopf, als er mich auf Kyoka's Party angerufen hatte.
"Danke. Aber wie wirst du das regeln? Ich bin mir sicher, dass du dich selber nicht anklagen wirst auf Grund von falscher Beschuldigung.", meinte ich und sie hob leicht ihr Kinn an.
"Überlass die Arbeit mir. Ich werde nicht ins Gefängnis gehen, aber bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich mich bessern möchte. Ich werde, wenn dein Vater freikommt, für die nächsten vier Monate in die Entzugsklinik gehen."
Ich nickte langsam und konnte die ganze Situation kaum verarbeiten.
Meine Mutter trat einen Schritt näher, als sie eine Hand auf ihr Brust legte. "Ich bereue jede meiner Taten, Y/n und ich weiß, dass ich es nicht wiedergutmachen kann. Aber lass es mich bitte versuchen. Bitte."
Ich war genauso skeptisch bei ihr, wie bei Ibara, aber sie schaute mich auf die gleiche Weise wie sie an. Entweder ich hatte eine echt schlechte Menschenkenntiss oder ihnen tat es wirklich leid.
Ich atmete tief ein und aus und hoffte, dass ich meine Entscheidung nicht bereuen würde.
"Okay."
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