Kapitel 124


Y/n:

Ich spürte die Umarmung nicht.
Ich spürte gar nichts.
Nicht einmal meine eigene Atmung.

Ich war weg. Mein Leben flog an mir vorbei, während Katsuki mich so fest an sich drückte und versuchte mich hier festzuhalten, mich vor dem Ertrinken zu bewahren. Aber es war zu spät. Ich war fertig.

"Y/n.", stieß er aus, doch ich konnte ihn kaum hören.

Mein Herz schlug in einem zu langsamen Rhytmus und jeder einzelne Schlag rummorte in meinem Brustkorb. Eine Träne rollte über meine Wange und ich fühlte wie sie auf meinem Handgelenk landete.
Im selben Moment pochten meine Narben darunter.

"Es tut mir leid.", wisperte ich erneut und fühlte wie sich sein Griff verstärkte. Schlag. Schlag. Schlag.
Immer lauter. Immer schmerzhafter.

Meine Lungen zogen sich zusammen und die ganze Luft in der Atmosphäre schien sich zu verdünnen. Mein Brustkorb bebte, als ich noch lauter und hektischer ausstieß: "Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Es tut mir leid."

Alles zerbrach. Jedes einzelne Band zwischen uns ging wie unser Versprechen unter. Wie als hätte es das nicht gegeben.

"Y/n, alles ist gut.", hörte ich ihn leise sagen und die verlorene Hoffnung schrie aus seinen gelogenen Worten förmlich raus. Katsuki striff mit seinen Händen über meinen Rücken, schüttelte mich leicht, wie als wollte er mich wieder in die Realität zurückbringen.

"Y/n. Y/n, es wird alles gut. Bitte."
Seine Worte waren nichts mehr, als ein Krächzen. Er wusste nicht einmal wonach er mich bat, doch ich konnte diese Bitte sicherlich auch nicht erfüllen.

Katsuki hielt mich fest, doch ich war bereits auf dem Boden. Jede Hoffnung, jeder Funke in meinem Leben war weg. Einfach alles.
"Nein, nichts wird wieder gut.", entgegnete ich leise und sein Körper versteifte sich abrupt.

Er ließ mich los und starrte mir in die Augen. Seine Pupillen weiteten sich, als ich seinen Blick mit bebenden Lippen erwiderte und weitere Tränen über meine Wangen rollten.
"Hör auf mir irgendwelche Lügen aufzutischen. Es wird gar nichts gut!"

Wieso werde ich wütend? Wieso spüre ich auf einmal so viel?
Fragen, Fragen und Fragen.
Ich hatte verdammt nochmal genug davon.

"Y/n, beruhig dich, ich bin da für di..", wollte Katsuki sagen, während er nach meinem Handgelenk griff, doch ich klatschte sie reflexartig weg und stand schnell auf.

"Nein, das bist du nicht. Du lügst, wie alle anderen!" Mein Herz raste, als ich an meine Mutter, Shoto und meine alten Freunde aus der USA dachte.
So viele Menschen, die mir so viel bedeutet haben und mich dann einfach links liegen gelassen haben.

Mein Herz verkramfte sich, als ich Katsuki's schockierten Gesichtsausdruck erblickte.
Sein Schock hielt aber nur für einen kurzen Moment, ehe er aufstand und mich auf eimmal um einiges überragte. Sein Blick verhärtete sich, als er mir bedrohlich nahe trat und ich einen Schritt zurückging.
"Ich bin aber nicht alle anderen."

Das ist er wirklich nicht.
Ich konnte meinen Gedanken keinen Glauben schenken, weil ich genau das gleiche bei den anderen gedacht habe. Ich habe ihnen vertraut.
Ich habe sogar mir selber vertraut, mich angefangen zu lieben.
Und jetzt kann ich das nicht mehr.
"Du bist wie ich."

"Du verstehst es nicht, du verstehst gar nichts in meinem Leben, du kennst mich nicht einmal!", schrie ich ihn an und drehte mich schnell um, um meine Tränen zu verbergen und ihn nicht ansehen zu müssen.
Meine Hände zitterten so sehr, dass ich sie in meinen Haaren vergrub und versuchte meine rasend schnelle Atmung zu kontrollieren.

Alles um mich herum drehte sich so sehr, dass ich fürchtete gleich in Ohnmacht zu fallen. Was wenn Katsuki genauso ist wie sie?
War alles eine Fassade?
Ich kann ihm nicht vertrauen, es ist zu riskant. Wenn er mich noch verletzten würde.. dann würde ich sterben.

Plötzlich packte Katsuki mein Handgelenk und drehte mich so schnell zu sich um, dass ich laut nach Luft schnappte. "Y/n, ich kenne dich verdammt nochmal besser als alle anderen. Glaubst du wirklich, dass ich dich verletzen will?"

Ich presste meine Lippen aufeinander und starrte auf den Boden, weil ich seinem festen Blick nicht standhalten konnte. "Ich weiß nicht mehr an was ich glauben kann und an was nicht.
Wem ich überhaupt vertrauen kann. Vielleicht denkst du, dass du mich kennst, aber du bist nicht in meiner Haut, um zu wissen, was für eine Scheiße ich alles erlebt habe."

"Dann erzähl sie mir, damit ich es besser verstehe."

Ich lachte ironisch auf und mein ganzer Magen zog sich schmerzhaft zusammen. "Hör auf mit dem Scheiß Katsuki, das willst du nicht einmal. Du weißt wie verkorkst mein Leben ist und lass uns endlich mit den Lügen aufhören und gib endlich zu, dass du nur aus Mitleid mit mir befreundet bist.", sprudelte es ohne vorher darüber nachgedacht zu haben aus mir raus und auf einmal wurde alles still.

Sein Griff verstärkte sich leicht, als er langsam, aber so bedrohlich wie noch nie fragte: "Was hast du gesagt?"

Ich schaute nach oben und seine leicht zusammengekniffenen blutroten Augen starrten mich ernst an. Mein Herz schlug schnell gegen meine Brust und irgendetwas in mir schrie mich an die Klappe zu halten.
Doch ich ignorierte es. Ich konnte ihm nicht vertrauen. Nicht nach allem, was passiert ist. "Du hast mich gehört."

"Das kann nicht dein Ernst sein."

Ich antwortete nicht und das Band zwischen uns war kurz vorm Reißen.

"Wieso sollte ich aus Mitleid mit dir befreundet sein?" Das Wort "Mitleid" spuckte er förmlich aus.

Ich riss mich von ihm los, kehrte ihm den Rücken zu und ging. Jeder Schritt fühlte sich so unfassbar schwer an, dass ich glaubte, gleich auf den Boden zu sacken. "Lass mich einfach in Ruhe Bitte." Ich wusste, dass ich ihn verletzen würde, wenn ich jetzt weiter mit ihm sprechen würde.
Bitte lass mich allein. Ich möchte nicht, dass du dich mit dem ganzen Scheiß aus meinem Leben abgeben musst, du hast es nicht verdient.

"Y/n, bleib stehen!"
Raus aus meinem Leben. Raus aus meinem verdammten Kopf!

Ich hörte seine Schritte hinter mir hereilten und bevor ich reagieren konnte, griff er erneut nach meinem Handgelenk und diesmal viel fester und energischer. "Beantworte meine scheiß Frage.", knurrte er und ich konnte mich von seinem Griff nicht befreien.

"Lass mich los!", befahl ich, doch er drückte mich nur enger an sich.
Jeder einzelne Muskel in mir verkrampfte sich.

Tu es nicht. Du wirst ihn verletzen.
Dann wirst du wirklich niemanden mehr in deinem Leben haben.
Das wollte ich aber. Niemand haben, damit ich nie jemanden verlieren würde. Und deshalb stieß ich den Pfahl in Katsuki's Brust noch tiefer rein.

"Was willst du? Geld, Sex, irgendetwas willst du doch, wenn du mit jemandem wie mir befreundet bist. Ich bin ein Niemand, eine Person, die jemanden wie dich in so einem erfolgreichem und außergewöhnlichen Leben nicht weiterbringen wird. Wieso solltest du mit so einem depressiven Stück wie mir abhängen wollen, mich sogar küssen, wenn ich total nutzlos für dich bin?"

Die nächsten Sekunden wurden von unseren abgehackten Atemzügen erfüllt. "So jemanden wie mich?"

"Du weißt, was ich meine. Du hast ein ganzes Leben vor dir. Ich bin ein hoffnungsloser Fall, immer wenn ich versuche etwas aus mir zu machen, geht es schief. Einfach alles.", versuchte ich ihm ohne weiterhin zu weinen zu erklären.

Die ganzen Beleidigungen meiner Mutter und Ibara schrien so laut in meinem Kopf, dass er anfing zu pochen.

"Sex oder Geld? Willst du mich verarschen? Y/n, ich bin nicht mit dir aus Mitleid oder wegen etwas anderem befreundet!"

"Was ist es dann? Und sag bloß keinen Scheiß, wegen meiner ach so tollen Persönlichkeit, denn das.."

"Weil ich dich liebe, verdammt!"

Katsuki:

Es war raus.
Die Worte, die ich im schlimmsten Zeitpunkt zu ihr gesagt habe waren raus.

Y/n war mein Untergang.
Und doch mein Lebenselexier.

Ihre Art brachte mich um den Verstand, aber auf eine Weise, die mich zum Lachen brachte.
Sie brachte mich zum Lachen.
Nicht einmal Kiri hatte das geschafft.

Sie brachte mich dazu, etwas positives in diesem verdorbenen Leben zu sehen, obwohl ihre Vergangenheit genauso abgefuckt wie meine war.
Wie hatte sie es nur geschafft mich selbst so verändern zu wollen?

Wir starrten uns schweigend an, das einzige, was zu hören war, war das leise Rauschen des Meeres.
Es war so still, als wäre eine
Atombombe geplatzt und jeder einzelne Zentimeter des Landes wäre wie ausgelöscht.

Mein Herz blieb für diesen ganzen Moment stehen. Für eine Sekunde dachte ich, dass ich hier und jetzt sterben würde. "Ich liebe dich."
Worte die ich so lange nicht mehr gesagt habe.

"Nein.", durchbrach sie plötzlich die Stille und die Welt fing sich wieder an zu drehen.

Ihr Atem stockte, als sie mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
"Du lügst. Das kann nicht sein."
Unter meinem Griff zitterten ihre Hände.

Mein ganzer Körper spannte sich in mir an, doch ich schreckte nicht vor meinen nächsten Worten zurück.
"Denkst du, dass ich für jemanden, den ich nicht lieben würde, den Lehrgang für die Nachzügler der größten Heldenuniversität einfach so abbrechen würde?"

Ihr Lippen trennten sich, bevor sie überhaupt etwas sagte. "Scheiße, dass hast du nicht getan. Du kannst es nicht einfach abbrechen, es war dein größter Traum ein Profiheld zu werden."

"Nein, das war es nicht." Ich legte meine Hände auf ihre Wangen.
"Mein größter Traum war es mit dir zu sein."

Ihre Pupillen weiteten sich.
Sie legte eine Hand auf meine, die ihre Wange berührte und meine Haut kribbelte. "Du hättest es nicht tun sollen."

"Sag mir nicht, was ich hätte tun sollen, wenn ich es kein Stück bereue jetzt mit dir hier zu stehen und dich berühren zu können."
Alles tobte in mir. Dieser Moment fühlte sich so surreal an, dass ich glaubte jede Sekunde aufzuwachen.

Y/n musterte mein Gesicht, ihre Pupillen bewegten sich rasch nach links und rechts, während wir uns immer näher kamen. Und als wir uns küssten, war ich mir mehr als alles andere sicher, dass ich gerade träumte.

Obwohl es nicht unser erstes Mal war, war es eins der schönsten Gefühle gewesen, die ich jemals hatte.
Es war nicht nur ein Kuss, es war Hoffnung. Etwas, an dem wir uns gerade festhielten und gleichzeitig vor dem nächsten Zug zurückschreckten.

Aber es gab keine Zukunft oder Vergangenheit, sondern nur das Jetzt.
Nur wir zwei, gegen den Rest der Welt. Gegen jede scheiß Erinnerung, Person und Erfahrung. Y/n hat mir auf irgendeine Weise das Licht zurück gegeben und jetzt würde ich es auch tun.

Als wir uns wieder anschauten, sagte ich in einem festen, aber auch mitfühlenden Ton: "Erzähl mir alles, was ich noch nicht weiß."

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