Kapitel 114
Katsuki:
Eigentlich war ich es gewöhnt alleine aufzuwachen.
Doch als meine Hand am Morgen über das Bett striff und es leer war, wurde ich von einem gewaltigen Gefühl der Einsamkeit überwältigt.
Sie war weg.
Ein paar Stunden zuvor habe ich sie noch in meinen Armen gehalten und sie an mich gedrückt und jetzt war sie weg. Das war meine größte Furcht gewesen und es ist wirklich passiert.
Ich stand sofort auf und blickte auf mein leeres Bett herab. Ein Stich ging mir durch meine Brust und ich schnaubte. Mach kein allzu großes Drama draus. Hast du wirklich gedacht, dass sie mit dir aufwachen wird und dich mit einem Lächeln begrüßt?
Das ist reines Wunschdenken.
Ich fuhr mir mit einer Hand durch meine Haare und blickte auf die Uhr.
Es war bereits 01:00 Uhr Mittag und ich brauchte auch nicht mehr zu hoffen, dass sie plötzlich in mein Zimmer kommt und mir mitteilt, dass sie nur kurz auf der Toilette war.
Trotzdem setzte ich mich wieder auf mein Bett und wartete geschlagene sieben Minuten. Und sie kam nicht.
Hör verdammt nochmal auf damit.
Für sie war das wahrscheinlich nichts besonderes, sie war ja immerhin komplett betrunken. Und trotzdem konnte ich von dem Gedanken nicht ablassen, dass sie ihre Worte ernst gemeint hatte. Dass sie wirklich mehr für mich empfand.
Erinnert sie sich noch an meine Worte? Erinnert sie sich noch daran, als ich ihr erzählt habe, wie ich mich in sie verliebt habe? Wunschdenken.
Als ich endgültig aufstand und mich fertig machte, blickte ich auf mein Handy und begang den Fehler auf unseren Chat zu gehen.
Mein Magen zog sich leicht zusammen, als ich keine verpassten Anrufe oder Nachrichten von Y/n sah. Und wieder kam ich mir so unendlich dumm und hilflos vor.
Ich habe mir geschworen mich nie wieder zu verlieben. Nicht nach ihr.
Und dann kam Y/n.
Sie hatte irgendetwas an sich, was mich verrückt machte. Doch was?
Ich hätte meinen Kopf gegen die Wand schlagen können. Hör auf über sie nachzudenken!! Hör verdammt nochmal auf damit! Sie ist anscheinend nicht an dir interessiert, also musst du ihr auch nicht hinterhertrauern.
Nachdem ich mich umgezogen hatte und immer wieder auf mein Handy blickte, beschloss ich draußen etwas joggen zu gehen. Obwohl es sehr bewölkt und es dunkel war, musste ich mich ablenken. Ich wollte auf keinen Fall zu Kiri oder zu Denki, weil ich genau wusste, dass sie mich über sie ausfragen würden. Ich brauchte einfach etwas Zeit für mich und musste nachdenken. Über sie.
Auch wenn ich es nicht tun sollte.
Wahrscheinlich war ich nichts besonderes für Y/n.
Aber sie war es für mich.
Und wird es bleiben.
Y/n:
"Logan wir haben es geschafft. Danke, wirklich. Du weißt nicht wie sehr ich diesen Dreckskerl loswerden wollte.", sagte meine Mutter ohne zu wissen, dass ich bereits von der Toilette gekommen bin und die beiden zwischen den anderen Leuten beobachtete.
"Ja, wir müssen unsere gefälschten Beweise nur noch dem Richter zeigen, dann wird Y/n's Vater sofort abgeführt. Du kannst dann ihr Sorgerecht übernehmen und er wird ins Gefängnis inhaftiert. Ich glaube, die Strafe wird so auf fünf Jahre gelegt werden."
Seine Worte sorgten dafür, dass meine Knie drohten einzuknicken.
Ich hielt mir eine Hand auf die Brust, weil mein Herz so schnell raste, dass ich fürchtete, dass es einen Aussetzer bekommen würde. Das kann nicht sein.
"Gut. Du weißt wie wichtig mir das ist. In diesen fünf Jahren kann ich Y/n dazu bringen mir all das zu glauben und sie auf meine Seite zu ziehen. Ich werde sie brauchen, wenn sie ihren Quirk in Japan komplett freisetzt. Sie wird mir von guten Nutzen sein.", antwortete meine Mutter und ich schnappte nach Luft.
Ich konnte mir das alles nicht mehr anhören. Verdammt, ich bin 14 und mein Leben ist innerhalb von ein paar Monaten einfach von ihr ruiniert worden. Nein, ich kann nicht zulassen, dass meinem Vater das wiederfhährt. Er ist der beste Mensch auf der Welt und hat das nicht verdient. Sie wird damit nicht davonkommen!
Doch sie tat es.
Er hat ihr dabei geholfen.
Und ich war bei der Gerichtsverhandlung komplett nutzlos gewesen. Ich bereute tagtäglich seit drei Jahren diesen verdammten Fehler, den ich dort gemacht habe.
Nichts gesagt, sondern stattdessen eine Panickattacke bekommen zu haben.
Mein Herz schlug wie wild gegen meine Brust, als ich ihm in die teuflisch grünen Augen schaute.
Er sah genauso aus, wie als ich ihn beim Gericht gesehen habe. Seine Frisur mit den blonden Haaren vielleicht etwas kürzer geschnitten, aber das gleiche markante Gesicht mit den deutlichen Wangenknochen.
Dieses Grinsen..
Ich lächelte zurück und bohrte meine Fingernägel unmerklich in das Holz des Handlaufes. Sie schmerzten, doch ich zögerte nicht den Schmerz zu verstärken. Er ließ mich gerade fühlen, dass das hier echt war.
"Ja, ich kenne ihn.", antwortete ich auf die Frage meiner Mutter, die sie gestellt hatte und ging die Treppen zu ihnen runter.
Jeder Schritt fühlte sich unendlich schwer an, doch ich hob mein Kinn an und setzte eine Maske auf, die meine Angst kein bisschen preisgab.
Als er mir die Hand entgegenstreckte, war ich kurz davor draufzuspucken.
Ich nahm sie an und schüttelte sie mit einem festem Griff. Ich bin nicht mehr das verängstigte Kind von früher mit den Panickattacken. Und das soll er wissen.
"Wieso sind Sie hier?", erkundigte ich mich direkt in einem freundlichen Ton und fügte noch hinzu: "Sie leben doch in den vereinigten Staaten oder?" Mein Englisch fühlte sich plötzlich fremd an. Seit ich in Japan lebte, habe ich auch mit meiner Mutter japanisch geredet, weil wir es so besser übten und es zur Gewohnheit wurde. Wir sprachen manchmal auch spanisch, aber ich meidete die Sprache oft, weil ich sie nicht so gut konnte.
"Ich bin hier aus geschäftlichen Gründen und weil ich deine Mutter nach langer Zeit wieder besuchen wollte.", erklärte er und lächelte.
Und wieviel zahlt dir meine Mutter, dass du oder deine anderen Leute Mr. Shiozaki umbringen? Bei dem Gedanken wurde mir schlecht. Ich habe gerade die Hand von einem potenziellen Mörder geschüttelt. Und ich habe eine Mutter, die ebenfalls einer ist. Fuck, mein Leben ist ein reines Desaster.
Ich hatte keine Ahnung wie ich ihnen in die Augen blicken konnte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wie meine Fassade noch halten konnte. Ich hatte hier gerade Beweise auf meinem Handy, mit dehnen ich die beiden bloßstellen könnte. Ich habe gerade die Macht nicht sie.
Das war in dem Moment meine einzige Befriedigung.
Sie sollen Angst vor mir haben, nicht ich vor ihnen. Diese Zeiten sind vorbei.
Doch statt ihnen diese zu zeigen und sie damit zu erpressen, lächelte ich sie zuckersüß an und sagte zu meiner Mutter: "Ich muss jetzt gehen, meine Freundinnen warten."
Meine Mutter betrachtete mich für ein paar Sekunden, ehe sie nickte.
"Aber bleib nicht zu lange."
Seit wann interessiert es dich?
Ich nickte ebenfalls und ging auf die Haustür zu. Als ich sie öffnete, spürte ich deren Blicke auf meinem Rücken, doch brachte nur ein "Tschüss" heraus, bevor ich sie hinter mir schloss.
Und dann kam alles hoch.
Ich musste mich gegen die Tür lehnen, um nicht einzusacken.
Mein Atem ging schnell und meine Brust hob und senkte sich.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, weil ich nicht weinen wollte. Nicht weinen durfte.
Weine nicht. Habe keine Angst.
Du hast die Macht über sie. Sie können dir gar nichts antun. Du kannst alles tun, was du willst. Du kannst ihr Leben innerhalb von Sekunden zerstören.
Habe keine Angst. Nie mehr. Nicht vor ihnen. Vor niemandem.
Ich nahm einen tiefen Atemzug und unterdrückte mir die Tränen.
Gut. Und jetzt regle das mit Katsuki.
Ich gehorchte meinen Gedanken und setzte mich in Bewegung. Sie überfluteten mich regelrecht und ich wusste nicht, wie ich diese ganzen Informationen verarbeiten sollte. Sie waren wie ein Vulkan, der gerade am Ausbrechen war. Ich atmete immer wieder tief ein und aus und beschleunigte meine Schritte. Habe keine Angst. Du bist nicht mehr das vierzehnjährige Kind, du bist siebzehn.
Als ich vor seiner Tür stand, zögerte ich keinen Moment zu klopfen und biss nervös auf meiner Lippe herum. Nachdem sie niemand öffnete, klopfte ich nochmal und wartete ein paar Minuten.
"Scheiße.", stieß ich laut aus und schnaubte. "Das hat mir gerade noch gefehlt."
"Führst du immer Selbstgespräche, wenn du alleine bist?", hörte ich plötzlich jemanden fragen und drehte mich sofort um.
Katsuki stand ein paar Meter weit hinter mir und mein Herz machte einen Satz, als er wirklich grinste.
Sein Grinsen steckte mich sofort an und ich kam auf ihn in schnellen Schritten zu, bevor ich ohne vorher darüber nachgedacht zu haben in seine Arme sprang.
Er wirkte für eine Sekunde irritiert, ehe er mit seinen Händen über meinen Rücken striff und mich fest an sich drückte.
"Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen, nur..", versuchte ich mich zu erklären, doch er ließ mich nicht ausreden.
"Ist okay. Nur sag mir eins."
Ich schaute zu ihm auf und meine Augen weiteten sich bei seinem ernsten Gesichtsausdruck.
"Sag mir, dass du nur abgehauen bist, weil du genauso überwältigt von der Situation wie ich warst und es nicht für einen Fehler fandest.", sagte er und ich atmete erleichtert auf.
"Also war es für dich auch kein Fehler?", wollte ich wissen und seine Mundwinkel zuckten nach oben.
"Wie könnten deine Küsse ein Fehler gewesen sein?" Seine tiefe Stimmte hallte in meinem Bauch nach, was dafür sorgte, dass meine Haut kribbelte.
"Können wir einen Spaziergang machen?", fragte ich stattdessen, weil ich nicht wusste, wie ich darauf antworten sollte. Er mag mich. Wow.
"Es wird wahrscheinlich gleich regnen, aber ja. Alles was du dir wünscht."
Ich lächelte und wir gingen zusammen aus seiner Einfahrt raus.
Als unsere Schultern gegeneinander trafen und ich mich um seinen Arm einhackte, schien der Moment viel zu schön um wahr zu sein. Die Sekunden vergingen so langsam, dass man glaubte, die Welt würde sich nur um uns drehen und auf uns warten.
Seine Haut fühlte sich warm unter seiner Jacke an und ich konnte nicht glauben, dass wir gerade wie ein Pärchen spazieren gingen. Doch trotz allem drängte sich eine Frage in mir auf, die ich unmöglich ohne seine Antwort beantworten konnte.
"Katsuki?"
"Hm?"
"Ich.. Du weißt, dass ich gestern Abend sehr angetrunken war."
Ein Grinsen bereitete sich auf seinem Gesicht aus und er schaute mich amüsiert an. "Ja, das weiß ich."
"Ich bin jetzt ehrlich, ja? Ich kann mich an das meiste nicht mehr so gut erinnern, nur an den Moment, wo du mir was auf deiner E-Gitarre vorgespielt hast und als wir uns dann.. geküsst haben.", erklärte ich und er musterte mich.
"Seit wann bist du so nervös in meiner Gegenwart?", wollte er wissen und ich spürte, wie sich meine Wangen erhitzten.
"Ich bin nicht nervös.", gab ich schnell zurück und hielt seinem Blick stand.
"Deine Wangen sind rot.", erwiderte er und betrachtete mich von unten bis oben, während er mir etwas näher kam.
"Mir ist verdammt warm, vielleicht deswegen.", erklärte ich und der Mistkerl hörte nicht auf zu grinsen.
"Es hat vielleicht zehn Grad. Wenn, dann.."
"Halt jetzt deine Klappe, ich wollte dir noch eine Frage stellen.", unterbrach ich ihn und er lachte auf.
"Okay, jetzt bin ich gespannt, wenn du schon dabei so rot wirst."
Ich stieß ihm leicht mit meinem Ellenbogen gegen seine Schulter und schaute weg. "Wie schon gesagt, ich war etwas sehr angetrunken und kann mich an nichts weiteres als den Kuss und das davor erinnern. Und als ich heute aufgewacht bin, waren wir halbnackt, also.. haben wir..?"
"Haben wir was?..", stellte er sich dumm und ich stöhnte genervt auf, während er lachte.
"Ich mein das ernst Katsuki. Mir ist das im Gegensatz zu dir sehr wichtig und ich kann mir, wenn ich betrunken bin, sehr viel zutrauen."
Anscheinend hörte er die Verzweiflung aus meinem Ton raus, denn er schaute mich wieder ernst an, bevor er seinen Kopf schüttelte.
"Nein, haben wir haben es nicht getan." Ich atmete erleichtert auf, bis er sagte. "Obwohl du darauf gepocht hast."
"Wolltest du nicht?", fragte ich und die Frage fühlte sich etwas absurd an.
Katsuki zuckte mit seinen Schultern und schaute auf die Straße. "Nicht in dem Zustand, in dem du dich in dem Moment befunden hattest. Ich wollte nicht, dass du es vielleicht bereut hättest."
Ich blinzelte und schaute ihn mit einem Lächeln auf meinen Lippen an.
"Danke. Jetzt verstehe ich, warum ich mich in dich verliebt habe.", rutschte es aus mir raus und er blieb abrupt stehen.
Ich riss etwas meine Augen auf und mir stieg sofort Hitze in den Kopf.
"Sorry, ich.."
"Seit wann?", fragte er stattdessen und alles um uns herum schien die Luft anzuhalten.
"Ich glaube schon seit sehr langer Zeit, aber ich habe es mir erst an Denki's Geburtstag am Strand eingestanden. Als du mich zu dich gezogen hast, wollte ich in dem Moment, dass du es noch mal machst und habe das Gefühl verstanden. Ich werde diesen Moment nie vergessen, als wir miteinander auf den Liegen geredet haben.", sagte ich und er betrachtete mich schweigend. Ich konnte sein Gesicht nicht deuten, doch in dem Moment, wollte ich nichts anderes, als ihm zu sagen, was ich fühlte.
"Du sorgst irgendwie dafür, dass ich alles vergesse. Erinnerst du dich noch, als ich gesagt habe, dass du ein Komfort-Freund bist? Das meine ich damit. Jedes Problem ist wie ausgelöscht, weil ich mit dir lachen, aber auch weinen kann. Und das war auch dort, als wir bei den Liegen saßen und einfach geredet haben. Seitdem gehe ich immer, wenn mich etwas bedrückt oder wenn ich nur Platz zum Atmen brauche dahin. Das Einzige, was fehlt, bist du."
Der erste Regentropfen prallte auf den Boden.
Katsuki starrte mir tief in die Augen und seine Pupillen vergrößerten sich etwas. "Y/n.."
Wir standen uns so nahe, dass ich etwas zu ihm aufschauen musste und mein Magen zog sich zusammen.
Das hier fühlte sich so richtig an.
So verdammt richtig.
"So etwas hat noch nie jemand zu mir gesagt.", antwortete er und bevor ich realisierte, was passierte, legte er seine Hände um meine Taille und zog mich zu sich, um mich zu küssen.
Egal, was passierte, Katsuki ließ mich alles vergessen. Jeder Stein der vorhin so groß erschien, wird durch in winzig klein. Ich will ihn nie wieder loslassen. Nie wieder.
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