Kapitel 110


Y/n:

So langsam bekam ich gefallen an meinem Leben.

Diese Erkenntnis kam an einem gewöhnlichen Abend im Frühling so plötzlich, dass es mich wie eine Welle überflutet hatte. Es war der vierte Mai, so gegen 21 Uhr und ein Freitag, was dafür sorgte, dass sich die halbe Klasse wieder getroffen hatte.

Zwischen dem ganzen Trudel und Gelächter auf dem Strand, erkannte ich erst da, dass das Lachen, welches ich eigentlich immer nur aufsetzte, echt war. Ich fühlte mich wohl. 
Nicht nur bei Katsuki oder Kyoka, nein, ich fühlte mich bei all diesen Leuten wohl. Ich war ein Teil von ihnen.

Diese Wärme habe ich nie vergessen und irgendwie war ein Fünkchen davon immer noch in mir.
Wenn ich aufstand, bereute ich es nicht meine Augen geöffnet zu haben.
Ich freute mich sogar auf den Tag.
Und auf Katsuki. Ich freute mich darauf, ihn zu sehen, sein Grinsen zu erblicken und seinen Duft einzuatmen, wann immer er dicht neben mir saß.

Seit dem Valentinstag sind bereits drei Monate vergangen, doch ich konnte mich an jede Sekunde erinnern.
Seitdem heilte ich noch mehr und lernte mich erst so richtig kennen.
Ich will leben.

Dieses Gefühl.. es ist einfach unbeschreiblich. Wenn man keine Angst mehr vor der Zukunft hat. Nicht mehr diesen Hass verspürte oder gar den Druck sich selbst zu verletzen.
Wenn dieses schwarz-weiß denken urplötzlich verschwunden ist.

Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht mehr so einen Stress mit meiner Mutter hatte. Sie hatte sich die letzten Monate ebenfalls verändert und auch wenn wir nicht viel miteinander zutun hatten, gab es eine angenehme Stimmung im Haus. Das Verhältnis mit Shoto war noch immer seltsam, aber es war okay, denn jetzt habe mich mich ja wieder mit Momo vertragen.
Und Kyoka.. Sie hatte es endlich geschafft sich vor der Klasse zu outen und ihre Angst davor besiegt. Glücklicherweise hat das auch Denki gut hingenommen.
Ja, mir ging es wirklich gut.

Und ich war mir sicher, dass Katsuki einer der Hauptgründe dafür war.
Ich liebte ihn immer noch.
Aber auch wenn wir uns jeden Tag sahen, telefonierten, trafen und vieles mehr, stand irgendwie eine Barriere zwischen uns. Ich wusste nicht, ob er genauso für mich empfand, aber da war etwas.
Und das machte mir auf irgendeine Weise Angst.

"Wow Y/n, du warst heute verdammt gut!", hörte ich Denki keuchen und drehte mich zu ihm um. Der Arme war komplett verschwitzt und schien kurz davor zu kollabieren.

Herr Aizawa hatte sich nämlich gedacht heute mal eine Kombi aus Ausdauer und dem Quirk Training zu machen, was alle an seine Grenzen gebracht hatte.

"Ja und das nur wegen mir.", fiel mir Katsuki ins Wort und stieß leicht gegen meine Schulter.

"Jaja, du erteilst mir nur irgendwelche Befehle, die ich dann ausführen muss. Also liegt es an mir, wie gut ich bin.", entgegnete ich und runzelte die Stirn.

Gerade, als er etwas darauf erwidern wollte, rief Momo nach meinem Namen und wollte, dass ich zu ihr komme. "Okay, ich muss los. Wir sehen uns!", verabschiedete ich mich und drehte mich um, um zu gehen, aber Katsuki griff nach meiner Hand.

"Warte kurz, steht das Treffen heute noch?", erkundigte er sich und ich sah, wie Denki ihm einen skeptischen Seitenblick zuwarf.

"Ähm, ich muss noch schauen, weil ich noch ein Projekt mit Momo und Kyoka zu erledigen habe, aber ich gebe dir Bescheid ja?"

Er nickte und ließ mich darauf los.
Erst ein paar Sekunden später spürte ich, dass meine Wangen regelrecht glühten. Das musste unbedingt aufhören, langsam konnte ich es nicht mehr aushalten. Jedes Mal, wenn ich ihn anschaute, war ich so kurz davor, ihm zu sagen, was ich empfand.
Diese verdammten Worte endlich einmal auszusprechen.

Nachdem ich Momo erreichte, die gerade mit Kyoka und Ochako sprach, wandte sie sich zu mir um und sagte: "Y/n, da es ja bereits 16 Uhr ist haben wir uns überlegt schon einmal nachhause zu gehen und uns dort für heute Abend bereit zu machen. Gehst du jetzt auch schon, oder willst du noch hier duschen?" 

Ich starrte sie verwirrt an, als ich fragte: "Für was bereit machen?"

"Wir gehen doch heute in den neuen Club, der aufgemacht hat. Erinnerst du dich nicht?"

Ich schüttelte meinen Kopf und ließ meinen Blick über alle anderen schweifen. "Hä? Ich habe gedacht, dass wir heute unser Projekt machen."

"Ach nein, das hat noch Zeit. Aber kannst du jetzt oder nicht?", wollte Momo wissen.

Ich dachte an Katsuki's Vorschlag uns zu treffen, doch wollte auch meine Freundinnen nicht im Stich lassen. Aber in den Club gehen? Um Ehrlich zu sein hatte ich nicht einmal so richtige Lust darauf.
"Ich..-"

"Leute lasst sie, sie hat was anderes zu erledigen.", unterbrach Kyoka mich und starrte mich eindringlich an.
Auf ihrem Gesicht spielte sich ein Grinsen ab, was mit Sicherheit bedeutete, dass sie mein und Katsuki's Gespräch mitbekommen hatte.
Wenn sie schon Leute anhand der minimalen Veränderung der Tonart beim Lügen erkennen konnte, wie gut konnte sie dann einfach so hören?
Und was hatte sie eigentlich schon alles mitbekommen?

Momo und Ochako wechselten ihre Blicke zwischen uns hin und her, ehe meine beste Freundin fortfuhr: "Sie hat ein Date."

Ich schnappte nach Luft, als ich erwiderte: "Kyoka hör auf mit dem Scheiß! Es ist kein Date, sondern einfach nur ein Treffen. Davon abgesehen kann ich natürlich mit euch.."

"Was mit Katsuki? Natürlich triffst du dich heute mit ihm.", wandte Ochako ein. "Ihr hattet ja auch kein Problem damit, als ich mich ständig mit Izuku getroffen habe und davon abgesehen bist du richtig glücklich in seiner Nähe."

"Das stimmt. Und Katsuki.. naja ich fande das am Anfang schon komisch, weil ihr euch noch vor einem halben Jahr oder so gar nicht miteinander abfinden konntet, aber jetzt passt es ja. Und irgendwie ist er auch netter geworden, keine Ahnung wie du das geschafft hast.", sagte Momo und zuckte mit den Achseln.

"Er war schon immer nett, nur ihr kanntet ihn nicht.", entgegnete ich etwas scharf und Kyoka brach gleich darauf im Gelächter aus.

"Oh nein, vielleicht zu dir, aber im ersten Jahr war er wirklich schlimm."

"Aha und was hat er denn so Schlimmes angestellt? Leute anschnauzen zählt für mich nicht als schlimm.", meinte ich und bemerkte, wie sich die Gesichtszüge meine Freundinnen auf einmal änderten.

Momo schüttelte letztendlich ihren Kopf und antwortete: "Das ist egal und schon lange her. Katsuki hat sich ja anscheinend geändert und jetzt ist alles super. Genieß den Abend mit ihm."

Im Ernst jetzt?
"Kyoka?" Ich drehte mich zu ihr um, doch auf ihren Lippen bildete sich nur ein dünner Strich ab.

"Es ist wirklich nicht wichtig und wir wollen dir nicht sein Bild kaputt machen.", erklärte sie und die anderen nickten gleich darauf.

Ich wusste, dass ich nichts mehr aus ihr rausbekommen würde, weswegen ich schlussendlich sagte: "Okay, ich kann ihn auch selber fragen."
Was soll das alles? Was hätte er denn alles tun können? Ja, Katsuki hatte bereits erzählt, dass er sich mal scheiße benommen hatte, aber wie schlimm konnte es denn sein?

Nachdem ich mich von meinen Freundinnen etwas steif verabschiedet hatte, beschloss ich zu den Umkleidekabinen zu gehen, um auch gleich darauf zu duschen.
Die Hitze hatte bereits dafür gesorgt, dass mein ganzer Schweiß auf meiner Haut eintrocknete und ich wollte dieses ekelhafte Gefühl sofort von mir wegbekommen.

Als ich die Turnhalle betrat und feststellte, dass sie komplett leer war, realisierte ich erst jetzt, dass schon sehr viel Zeit vergangen war.
Die Schulstunden wurden verlängert und deswegen haben die meisten also beschlossen gleich nachhause zu gehen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich das auch getan hätte. Ist doch egal.

Mit meiner Sporttasche an einer Schulter hängend, schlenderte ich durch den leeren Gang und unterdrückte das unbehagliche Gefühl, welches sich immer breiter machte. Als ich aber die Kabine erreichte und nach der Türklinke griff, bemerkte ich, dass die Tür bereits abgesperrt war.
Hm, okay dann versuche ich es irgendwo anders.

Ich ging weiter und versuchte es erneut, doch keine Tür öffnete sich.
Nachdem ich schließlich das Ende der ganzen Turnhalle erreichte, betete ich innerlich, dass wenigstens diese offen war, weil ich mich echt ranzig fühlte.
Bis jetzt war ich noch nie in diesem Teil gewesen und ich war mir sicher, dass die Kabine zu den anderen Klassen gehörte, aber in dem Moment war es mir gleichgültig. Ich würde so oder so nur fünf Minuten unter der Dusche verbringen.

Als ich aber die Türklinke runterdrücke und sie sich tatsächlich öffnete, verspührte ich nur für eine Sekunde ein Glücksgefühl, bis mir ein intensives Aroma in die Nase stieg. Darauf nahm ich ein lautes Schniefen war, was meine Alarmglocken läuten ließ.

Mein Herz schlug rasend gegen meine Brust, als ich den Raum betrat und der Geruch von Gras noch stärker wurde. Gleich darauf hörte ich jemanden aufstöhnen und darauf wieder seufzen. Was ist nur hier los?

"Hallo?", rief ich und bog gerade um die Ecke, um in den Duschraum zu gelangen.

Ich hörte die Stimme, bevor ich die Person erkannte, die mitten im Raum bei den unzähligen Duschköpfen auf dem Boden saß und mich mit triefnasen Klamotten entgeistert anstarrte. "Das kann nicht wahr sein."
Omg.

Ibara stand sofort auf und Wassertropfen platschten auf dem Boden. In ihrer Hand hielt sie einen Joint und auf dem Boden war Gras verstreut. Doch der Anblick von ihrem Gesicht sorgte dafür, dass ich die Luft anhielt.

Ihre ganzen Wangen waren mit Maskara verschmirrt und ihre Augen waren blutrot, ihre Lippen aufgeplatzt und so sehr zusammengepresst, dass ich zurückzucken musste.

Ich nahm einen tiefen Atemzug und hielt mich mit zittrigen Fingern am Waschbecken hinter mir fest.
Diese Szene erinnerte mich allzu gut an den letzten Schultag, wo ich sie ebenfalls beim Weinen erwischt hatte und sie mir darauf meine Haare abgeschnitten und mich niedergeschlagen hatte. Nur dieser Anblick hier war schlimmer

Mein Puls war auf 180 und eine gewaltige Angst staute sich in mir auf.
Die Furcht und das Trauma vor ihr, sorgten dafür, dass sich meine ganze Brust verengte. Lauf. Lauf und dreh dich nicht mehr um.

Doch ich tat es nicht. Stattdessen ließ ich das Waschbecken los und kam einen Schritt auf sie zu. "Ibara, was ist passiert?", wisperte ich und traute mich nicht zu blinzeln.

Ja, sie war eine schlimme Person.
Sie hatte mich nicht nur schlecht behandelt, sondern eine ganze Woche lang misshandelt und mir die Hölle auf Erden bereitet. Doch wenn ich sie hier sah, in diesem Zustand, dann tat sie mir leid. Vielleicht sah ich die Reflektion von mir selbst, die dafür sorgte, dass ich nicht schon längst abgehauen wäre.

"Was bei mir passiert ist?! Wie traust du dich noch so etwas zu fragen?!
Du bist passiert! Du hast mir das Leben durch deine bloße Anwesenheit versaut! Nur du bist schuld an allem!", schrie sie mich an und ich blieb stehen.

Ihr ganzer Körper zitterte und ich hatte keine Ahnung, wie lange sie noch brauchen würde, ehe sie zusammenbrach. Wieviel hatte sie überhaupt konsumiert??

Ibara starrte mich so hasserfüllt an, wie es nur gehen konnte. Doch trotz diesem Blick konnte ich die deutliche Trauer und Verzweiflung in ihren Augen ablesen. Deswegen versuchte ich meine Worte mit bedacht zu wählen und sie ja nicht zu provozieren. "Okay Ibara ich weiß du bist verletzt, aber ich weiß wirklich nicht, was dein Problem ist. Kann ich dir irgendwie helfen?"

Sie lachte auf und ließ dabei ihren Joint fallen. "Warte du willst mir helfen? Du?? Okay, dann bring dich um. Sorge dafür, dass ich dich nie wieder sehe und das deine drecks Hurenmutter ebenfalls verschwindet und nie wieder kommt."

"So redest du nicht über meine Mutter.", warnte ich sie und trat näher heran. "..dann bring dich um."
Die Worte hingen so schwer wie Steine in der Luft und raubten mir den Atem.

"Ach, hör verdammt nochmal auf mit dem Scheiß. Du hasst sie doch genauso viel wie ich sie, sie ist nicht besser zu dir.", zischte sie.

"Was meinst du?" Was wusste sie alles? Ja, ihr Vater war höchstwahrscheinlich mit meiner Mutter zusammen, aber wieviel hatte Ibara davon mitbekommen?

Sie starrte mich für einen Moment schweigend an, ehe sie dann ihren Kopf schüttelte. "Du bist so armselig. Weißt du nicht, wo deine Mutter immer jede Nacht verschwindet und wieso sie dich alleine lässt? Sie geht zu meinen Vater. Zu mir in mein Haus. Jeden fucking Tag, wie als wäre sie eine Prostituierte, die nach Geld geiert. Und da bekommt man halt einiges mit. Sie weiß, dass du sie nicht leiden kannst."

Dieser Moment hier fühlte sich so surreal an, dass ich ihren Worten kaum Glauben schenken konnte.
"Was redest du da bitte für einen Schwachsinn? Und wie high bist du eigentlich?"

Wieder diese angsteinflößende Lache.
"Ach Y/n, ich weiß noch viel mehr, so viel mehr über dich, als du es dir je erahnen kannst. Ich kann dich zerstören. Und das nur innerhalb von ein paar Sekunden. Und nicht nur das, ich kann sogar deine Mutter aus dem Weg schaffen. Du weißt nicht, wie sehr ich das möchte. Du.."

Ich konnte dem ganzen einfach nicht mehr zuhören, weswegen ich den wahrscheinlich größten Fehler in meinem Leben beging und sie unterbrach. "Okay, weißt du was, es reicht. Langsam nervst du mich mit diesem ganzen Scheiß. Lass mich einfach in Frieden, ich habe genug Stress und für das hier definitiv keine Zeit."

Vielleicht stimmten ihre Aussagen, aber auch wenn, dann könnte ich nichts dagegen tun. Was sie wusste, dass wusste sie eben und bestimmt war es nichts schlimmes.
Sie würde mir sicherlich nicht wieder mein Leben zur Hölle machen und sie konnte mich mal am Arsch lecken.

Ich kehrte ihr den Rücken zu, um zu gehen, doch auf einmal hörte ich ein allzu bekanntes Geräusch, bevor Ibara knurrte: "Du gehst nirgendwo hin."

Und dann erkannte ich erst das Knistern der Pflanzen, die sich auf Ibara's Kopf bewegten und als ich mich blitzschnell umdrehte, sah ich, wie sie direkt auf mich zukamem, um mich gegen die Wand zu schleudern.

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