Samstag
Als ich erwache, geht gerade erst die Sonne am Horizont auf und es ist noch ziemlich dunkel draußen. Zum weiterschlafen bin ich aber irgendwie viel zu wach.
Ruhelos wälze ich mich hin und her, bis es mir zu viel wird. Leise stehe ich auf und mache mich für den Tag fertig.
Es ist gerade mal halb sechs, wie mir ein Blick auf mein Handy verrät.
Ich schleiche die Treppe hinunter, und gehe in die Küche. Ich soll mich wie zu Hause fühlen hat Page mir angeboten und ich habe Lust auf einen Kaffee, also werde ich einfach eine Kanne aufsetzten.
Ich wühle in den Schränken herum, bis ich das Kaffeepulver und die Filtertüten gefunden habe. Irgendwie fühle ich mich nicht ganz wohl dabei, aber Page hat es mir ja erlaubt, also...
Als die Maschine läuft, schlendere ich im Wohnzimmer herum. Ich schaue mir die Bilder an den Wänden und die Fotos auf dem Kamin an. Es sind Familienfotos. Page mit einem Baby auf dem Arm. Das muss Felix sein, als er noch klein war.
Auf dem nächsten Bild ist er schon größer und sitzt auf einem braun weiß gefleckten Pony. Seine Haare sind länger als jetzt, aber genauso schwarz. Das nächste Bild zeigt vier Menschen. Page und Peter sehen zwar etwas Jünger aus, als heute, aber ich habe keinen Zweifel, dass sie es sind. Vor den beiden stehen zwei Jungen. Der eine ist Felix und der andere muss sein Pflegebruder sein. Das Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich weiß nicht, wieso. Immerhin habe ich seinen Bruder ja noch nicht getroffen, was vielleicht auch ganz gut ist, wenn ich daran Denke, wie negativ er auf meine Anwesenheit hier reagiert hat, als wir angekommen sind. Die nächsten Bilder zeigen Lena, mit fünf oder sechs, dann vielleicht mit zehn und auf dem letzten sieht sie aus wie jetzt, so als wäre es gerade erst gemacht worden. Nur von den Jungen gibt es keine aktuelleren Bilder. Ich schlendere an der Wand entlang und betrachte die Gemälde, die hier hängen.
Viele zeigen Pferde, aber es Gibt auch Landschaftsbilder und Architektonische Gemälde.
Die Bücher im Regal, handeln fast alle von Pferdezucht, Es gibt ganze Kataloge von Zuchthengsten, zumindest Steht das drauf, aber ich kann mir darunter nichts vorstellen.
Ich nehme einen dieser Kataloge und blättere darin herum. Wie zu erwarten, sind auf jeder Seite Pferde abgebildet und es stehen eine Menge Daten Daneben, mit denen ich aber nichts anfangen kann. Außer vielleicht mit den Stammbäumen, denn die sehen genauso aus wie die von einem Menschen.
Ich stelle den Katalog an seinen Platz im Regal zurück, dann gehe ich weiter.
Als ich an eine Tür komme bin ich mir nicht sicher, ob ich sie öffnen soll, doch da Felix mir gesagt hat, das es hier unten ein Badezimmer gibt und ich auf die Toilette muss, schaue ich nach, ob sich das Bad hinter dieser Tür befindet.
Tut es nicht.
Weil es so dunkel ist, taste ich an der Wand nach einem Lichtschalter. Als ich ihn finde drücke ich darauf und ein Strahler, der auf etwas in der Mitte des Raumes gerichtet ist bringt Licht ins Dunkel.
Ich stehe in so einer Art Musikzimmer würde ich es mal nennen.
An den Wänden hängen verschiedene Instrumente Geigen, Konzert-, wie auch E- Gitarren und ein Cello, doch was mich am meisten fasziniert ist der große Flügel in der Mitte. Er steht auf einem Podest und sieht in dem Lichtkreis, den der Strahler auf ihn wirft irgendwie verwunschen aus. Langsam gehe ich darauf zu.
Wie lange ich schon nicht mehr gespielt habe. Bestimmt schon drei Jahre nicht mehr, dabei habe ich das Klavierspielen geliebt.
Ich muss ungefähr vier gewesen sein, als ich mit dem spielen angefangen habe. Und aufgehört habe ich als ich dreizehn war. Ja dieses beschissene Jahr, in dem sich alles verändert hat.
Verträumt streiche ich mit den Fingern den Flügel entlang, während ich ihn umrunde. Er ist schwarz und der Deckel ist geöffnet. Ich kann die einzelnen Seiten und Klanghämmer sehen und ich frage mich, wie der Flügel wohl klingt.
Ich gehe weiter um ihn herum, bis ich zu den Tasten komme. Die Abdeckung ist herunter gelassen, doch nichts hindert mich daran sie zu öffnen.
Und da sind sie, die schwarzen und weißen Tasten, die mich die Welt haben vergessen lassen, damals, als ich noch gespielt habe.
Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber plötzlich sitze ich auf der Klavierbank und lege meine Finger auf die Tasten. Die ersten Töne, die ich dem Instrument entlocke sind etwas stockend, aber schon bald habe ich den Rhythmus gefunden und obwohl ich Jahre lang nicht mehr gespielt habe, wissen meine Finger genau, was sie zu tun haben. Sie schweben über die Tasten und lassen mein Lieblingslied erklingen. Ich werde wohl nie vergessen wie die Noten von "All myselfe to you" gehen. Ich liebe dieses Lied einfach, so wie viele andere von Yiruma.
Ich bin gerade irgendwo im Mittelteil und völlig in die Musik vertieft, so dass ich nicht merke, wie jemand den Raum betritt.
>>Verdammt! Was hast du hier zu suchen!<< reißt mich ein Brüllen aus meiner Versunkenheit.
Erschreckt springe ich auf und schaue zur Tür, Mein Herz hämmert wie verrückt in meiner Brust. Während der letzte Ton, den ich angeschlagen habe in der plötzlichen stille ausklingt.
Im Türrahmen steht ein großer Mann in Reithosen und Stiefeln. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen, weil mich das Licht blendet, aber das ich hier nicht erwünscht bin steht außer Frage.
Eilig will ich den Raum verlassen, doch als ich nicht mehr von dem Licht geblendet werde erkenne ich, wer mir gegenüber steht.
>>Ian?<< flüstere ich leise. Es fühlt sich seltsam an, nach so langer Zeit zu sprechen, aber es rutscht einfach heraus.
>>Na toll, du weißt meinen Namen! Und jetzt hau ab!<< schnauzt er mich an.
>>Was? Ich... Was machst du hier?<< frage ich verwirrt und schaue ihn ängstlich an.
Sein Blick ist dunkel, und er starrt mich hasserfüllt an.
>>Was fällt dir ein hier rumzuschnüffeln!<< fragt er aufgebracht.
>>Ich hab nicht geschnüffelt, ich habe die Toilette gesucht.<< versuche ich mich zu verteidigen.
>>Ja, Ist klar! << sagt er sarkastisch. >>Und der Flügel sah aus wie die Dusche oder was?<<
>>Ian, bitte, es tut mir leid...<< entschuldige ich mich, doch er fällt mir ins Wort.
>>Spar dir deine Lügen und mach das du hier verschwindest. << sagt er kalt.
Als ich keine Anstalten mache, seiner Aufforderung nachzukommen, packt er mich grob am Arm und zerrt mich aus dem Zimmer.
>>Au, du tust mir weh!<< wimmere ich leise.
>>Ist mir egal! Ich will dich hier nicht haben! Kapiert! << schreit er wieder los.
Als wir im Wohnzimmer sind, lässt er mich los und knallt die Tür zum Musikzimmer zu.
Ich bin total verwirrt, wer ist dieser Kerl? Das kann doch unmöglich, der Ian sein, den ich auf meiner Geburtstagsparty im Wald kennengelernt habe. Damals war er ganz anders, fürsorglich und sanft. Jetzt erkenne ich ihn kaum wieder. Aber er ist es, wenn man mal davon absieht, das er sich wie ein Arschloch benimmt. Seine Haare haben den selben schnitt, seine Schultern sind genauso breit und er ist auch genauso groß wie der Ian im Wald.
>>Was ist mit dir? << frage ich unsicher, >>Warum bist du so anders?<< meine Stimme kommt mir immer noch fremd vor, aber langsam weiß ich wieder, wie man spricht.
>>Du kotzt mich an! Mädchen.<< sagt er böse und stößt mich gegen die Wand. Er kommt mir ganz nah und schaut mir hasserfüllt in die Augen. >>Verpiss dich von hier!<< sagt er kalt. >>Oder es passiert was!<<
Bei seinen harten Worten treten mir Tränen in die Augen und ich zucke ängstlich zusammen, als er aggressiv die Hand gegen die Wand neben meinem Kopf knallt.
Ich verstehe die Welt nicht mehr, was habe ich ihm getan, das er mich so hasst? Was auch immer im Wald passiert ist, scheinbar will er nichts mehr mit mir zu tun haben.
Am liebsten würde ich jetzt wegrennen, aber ich kann nicht. Ian steht so dicht vor mir, dass ich jeden seiner heftigen Atemzüge spüren kann. Eine Gänsehaut rinnt meinen Rücken und meine Arme hinunter und mein Herz hämmert ängstlich gegen meine Brust. Wenn ich mich jetzt bewege, berühre ich ihn und das möchte ich unbedingt vermeiden.
>>Bitte lass mich gehen? << flehe ich leise, als Ian noch immer keine Anstalten macht von mit abzurücken. Er starrt mich einfach nur an. Sein Atem ist schnell und flach und sein Blick ist gefährlich dunkel. Doch irgendetwas scheint ihn zu verwirren. Er runzelt die Stirn und starrt mich nachdenklich an, als könnte er nicht begreifen, was er vor sich hat.
Wenn ich hier wegwill, dann muss ich ihn wohl oder übel mit der Hand von mir wegschieben, auch wenn ich Angst davor habe, was dann passiert. Gerade will ich meine Hand heben, um sie ihm auf die Brust zu legen, als Felix aus dem Flur zu uns gelaufen kommt.
>>Was ist hier los? << fragt er aufgebracht >>Mia, alles in Ordnung?<<
>>Ja. << sage ich leise, mit tränenerstickter Stimme und werfe Ian einen traurigen blick zu. Seine Augen weiten sich erstaunt, als Felix meinen Namen sagt, doch bevor ich mich weiter damit beschäftigen kann geht Felix auf ihn los.
>>Du dämlicher Idiot, was hast du gemacht?<< schreit er ihn an. Während Ian von mir abrückt. >>Kannst du nicht ein Mal deine Schnauze halten!<<
>>Lass gut sein Felix. << bitte ich ihn traurig. >>Er will nicht, dass ich hier bin, ist schon Okay.<<
>>Nein, das ist nicht Okay, Mia!<< sagt er und funkelt Ian böse an, dem es scheinbar die Sprache verschlagen hat. Fassungslos starrt er mich noch immer an, aber ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
>>Das ist auch mein Zuhause und ich kann mitbringen wen ich will. Er hat nicht das Recht, dich zu bedrohen!<< sagt Felix, aber er schaut nicht mich an sondern Ian.
Doch anstatt etwas zu sagen dreht der sich plötzlich einfach um und verlässt mit geballten Fäusten fluchtartig das Haus. Und lässt uns ziemlich verwirrt zurück.
>>Was war das denn jetzt?<< wundert sich Felix und schüttelt verwirrt den Kopf.
>>Alles in Ordnung Mia?<< fragt er mich, dabei streicht er mir Mitfühlend über den Arm. >>Tut mir leid, dass er so ausgetickt ist.<<
>>Das ist alles meine Schuld, ich hätte nicht einfach so hier herumschnüffeln dürfen.<< verlegen wische ich mir die Augen trocken.
>>Ich dachte das wäre das Badezimmer. << erkläre ich und deute auf die Tür, hinter der der Flügel steht.
>>Ich habe den Flügel gesehen und konnte einfach nicht wiederstehen und habe darauf gespielt.<< . Felix macht ein verblüfftes Gesicht
>>Ach so? Das erklärt einiges.<< sagt er schlicht. >>Es war trotzdem nicht richtig von ihm dich so anzuschnauzen. Du konntest ja nicht wissen, dass niemand auf dem Flügel spielen darf.<< verteidigt er mein Verhalten.
>>Warum denn nicht?<<
>>Ist ne lange Geschichte und Ian möchte nicht, das wir darüber reden, naja... << entschuldigend zuckt er mit den Schultern.
>>Ist schon okay. Du brauchst es mir nicht erzählen. Das geht mich nichts an. Aber es wirklich schade, dass der Flügel nicht benutzt wird, er hat so einen schönen Klang.<< ich blicke bedauernd zu der Tür, hinter der das Instrument steht.
>>Ich finde, deine Stimme hat auch einen schönen Klang. << sagt Felix verlegen und schaut mich an. >>Schön, das du sie wieder benutzt. << ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus und ich erwidere es schüchtern.
>>Hast du hunger? << fragt er
>>Ja, irgendwie schon. << sage ich. Und es stimmt tatsächlich. Obwohl ich immer noch verwirrt bin, weil Ian so kaltherzig mir gegenüber war und auch Mikes Worte noch immer in meinem Gedächtnis wüten, empfinde ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder so etwas wie Appetit.
>>Gut, dann lass uns doch mal schauen, ob Margarethe schon mit dem Frühstück fertig ist. << sagt Felix und zieht mich zur Küche.
Es duftet nach Kaffee, was ja auch nicht verwunderlich ist, denn ich habe welchen gekocht, doch inzwischen ist auch der Tisch gedeckt und Page und die Zwillinge sitzen am Tisch und essen.
>>Guten Morgen ihr zwei.<< grüßt uns Page >>Setzt euch doch. << freundlich deutet sie auf zwei freie Stühle. Während ich mich setzte wirft sie mir einen forschenden Blick zu. >>Ist alles in Ordnung Mia? << fragt sie verlegen, als sie meine geröteten Augen bemerkt.
>>Ja mir geht's gut. << sage ich nickend.
Verwundert weiten sich ihre Augen, vermutlich, weil ich etwas gesagt habe, aber sie tut so, als wäre das nichts besonderes.
>>Ich habe Ian schreien gehört, ich hoffe er ist dir nicht zu nahe getreten.<< sagt sie bedauernd. >>Ich habe nicht viel mitbekommen, nur das er gesagt hat, das du von hier verschwinden sollst, aber Mia bitte, glaub mir, er meint das nicht so. Im Grunde genommen hat das auch überhaupt nichts mit dir zutun. << erklärt sie mir.
>>Nein, ist schon gut. Es war meine Schuld. << nehme ich ihn in Schutz.
Fragend schaut sie mich an.
>>Ich habe auf dem Flügel gespielt. <<erkläre ich ihr.
Sie macht ein erstauntes Gesicht und ein kleines verblüfftes >>Oh!<< rutscht aus ihrem Mund.
>>Hat er dir etwas getan? << fragt sie unsicher.
>>Hat er dich geschlagen?<<
Ich schaue sie erstaunt an. Hätte er das wirklich tun können? Ich denke nicht, dabei war er wirklich wütend.
>>Nein!<< versichere ich schnell. >>Er hat mich nur angebrüllt. Und dann ist Felix gekommen.<<
Page wirft ihrem Sohn einen auffordernden Blick zu. "Erzähl" scheint sie zu fordern.
Felix zuckt ein wenig verwirrt mit den Schultern.
>>Als ich reinkam, stand er ganz dicht vor Mia und hat sie angestarrt, dann ist er plötzlich ohne ein Wort abgehauen und das war's eigentlich, was ich mitbekommen habe, außer... << er macht eine kleine verlegene Pause<< er hat ihr gedroht, das er ihr was tut, wenn sie nicht verschwindet. << gibt er leise zu.
Page schaut mich erschreckt an.
>>Das hat er nicht?<< fragt sie ungläubig.
Verlegen nicke ich mit dem Kopf.
>>Das geht zu weit!<< sagt sie aufgebracht und steht auf. >>Ich werde mit ihm reden. Dir wird nicht passieren! Das verspreche ich dir. << sagt sie wütend.
>>Ich habe keine Angst vor ihm. << versichere ich ihr >>Er hat doch gar nichts gemacht. Es war doch alles meine Schuld! << versuche ich sie aufzuhalten. Doch sie lässt sich nicht beirren und geht.
>>Felix bitte! << flehe ich ihn an. >>Ich möchte nicht, das er ärger bekommt. Das ist alles meine schuld!<< und dann kullern mir Tränen übers Gesicht. Ich hätte nicht hierher kommen sollen, es war ein Fehler. Felix hat mir ja gesagt, das sein Bruder nicht begeistert sein wird, aber das er so schwierig ist, hätte ich nicht gedacht.
Als Felix meine Tränen sieht, legt er tröstend einen Arm um mich. >>Mia. << sagt er leise. >>Mach dir wegen Ian nicht solche Gedanken. Mum wird ihm schon nicht den Kopf abreißen. Du wirst sehen, wenn er dir das nächste Mal über den Weg läuft wird er genauso sein wie heute Morgen, vielleicht nur etwas leiser.<< dann zwinkert er mir zu >>Allerdings würde ich vielleicht die Finger von dem Flügel lassen, wenn du deinen nächsten Geburtstag noch erleben willst. << sagt er und lacht.
>>Auf jeden Fall!<< bestätige ich ihm. Und muss ebenfalls ein bisschen lachen. >>In das Zimmer kriegen mich keine zehn Pferde mehr rein.<<
>>Dann sehe ich auch keine Gefahr mehr für dein Leben. Außer vielleicht, dass du verhungerst!<< sagt er finster. >>Du hast noch gar nichts gegessen heute.<< sagt er und legt ein Brötchen auf meinen Teller.
>>Hier, iss! << fordert er mich auf. >>Möchtest du Saft oder Kaffee?<<
>>Beides bitte. << Er schenkt mir Kaffee in die Tasse, dann stellt er ein Glas Saft daneben.
Während wir essen, höre ich den Zwillingen zu, die darüber reden, das ihre Puppen heute einen Ausflug in den Garten machen wollen. Sie planen, was sie alles brauchen und welchen "Jungen" sie einladen wollen. Den Beachboy Ken oder den Heirat's Ken, wie sie sie nennen. Letzten Endes dürfen beide mit, damit jede Barby einen Freund hat.
Die beiden sind einfach zu süß, wie sie sich unterhalten. Doch nach kurzer Zeit stehen sie auf und laufen in ihr Zimmer. Ich nehme mal an, um alles für den "Ausflug" vorzubereiten.
>>Hey, Mia! Was hältst du davon, wenn wir heute einen Ausritt machen? << begeistert sieht Felix mich an.
>>Ohhh, nein! << wehre ich ab. >>Ich hab noch nie auf einem Pferd gesessen, Ganz ehrlich Felix, das ist nichts für mich.<<
Er sieht ein bisschen enttäuscht aus. >>Schade, das wäre bestimmt lustig geworden. Und was hältst du von Kino und anschließend Eis essen?<< schlägt er als nächstes vor.
Das ist zwar schon viel mehr nach meinem Geschmack, aber ich habe kein Geld dabei.
Als Felix meine Zurückhaltung bemerkt sagt er schnell, >>Ich lad dich ein.<<
>>Nein, das möchte ich nicht. << lehne ich ab. >>Das finde ich nicht richtig, Felix. Wir kennen uns doch kaum.<<
>>Ach, papperlapapp! Das ist die Wiedergutmachung, weil Ian so doof war.<< sagt er bestimmt. >>Außerdem kennen wir uns doch schon eine Woche, das reicht, um dich einzuladen.
Verlegen schaue ich auf meinen Teller. Es ist mir unangenehm, aber egal, was ich auch sage, Felix lässt sich nicht davon abbringen und so befinden wir uns nach dem Mittagessen auf dem Weg in die Stadt zum Kino. Marvin fährt uns wieder in dem Mercedes dorthin. Als wir vor dem Kino aussteigen, verabschieden wir uns von ihm. Er kommt uns um sechs wieder hier abholen, sagt er , dann ist er weg.
>>Was wollen wir denn gucken?<< fragt Felix, als wir an der Kasse stehen.
Unschlüssig zucke ich die Achseln.
>>Zeichentrick << sagt Felix augenzwinkernd. >>Oder Action, Komödie, Romantik, Drama. Es gibt alles, was die Dame wünscht. <<
Romantik schließe ich von vornherein aus, von Herzschmerz habe ich zur Zeit wirklich die Nase voll, Zeichentrick ist zwar süß aber eher was für Felix kleine Schwester, bleiben also Action oder Komödie. Allerdings hatte ich für Komödien noch nie viel übrig, das ist doch alles absolut hirnrissiger Mist. Also bleibt nur Action. Im Angebot stehen Die Fünfte Welle, der neueste James Bond "Spectre" oder Die Tribute von Panem "Mocking Jay Teil 2".
>>Was hältst du denn Von "Panem"?<< frage ich unsicher. >>Den wollte ich schon immer mal sehen, aber wir können auch die "Fünfte Welle" gucken, das hört sich auch interessant an. <<
>>Panem klingt doch gut, den habe ich auch noch nicht gesehen. Kennst du die anderen Teile?<< fragt er mich, während er die Karten kauft.
>>Ja, ich habe sie alle gesehen.<< sage ich lächelnd.
>>Ja, ich auch.<< sagt er und sieht dabei ganz begeistert aus.
Nach den Karten besorgt Felix noch eine Große Tüte Popkorn, Nachos und für jeden von uns eine große Cola.
Irgendwie ist mir das ganzschön unangenehm, aber Felix will nichts davon wissen, als ich ihm anbiete, ihm das Geld später wiederzugeben.
>>Du weißt schon, was eine Einladung ist, oder?<< fragt er und verdreht die Augen.
>>Ja, weiß ich.<< sage ich, dann küsse ich ihn auf die Wange.
>>Danke, für die Einladung<<
>>Na siehst du, Geht doch!<< sagt er verlegen lächelnd.
Nach der Vorstellung haben wir noch eine halbe Stunde Zeit, bis Marvin uns Abholt.
>>Magst du noch ein Eis essen?<< fragt Felix, doch ich bin so satt von dem Popcorn, das ich ablehne.
>>Nein, Danke. Ich bin echt voll, da passt kein Eis mehr rein. << dabei reibe ich mir den Bauch.
>>Okay, wollen wir uns denn dann nach draußen setzten, bis Marvin kommt?<<fragt er mich.
>>Ja, gern. Die Luft hier drinnen ist so stickig.<< sage ich erleichtert.
Auf dem Weg nach draußen reden wir über den Film.
>>Ich finde es voll schrecklich, das Snow am Ende die Kinder Töten lässt, wie kann er nur sowas tun?<< entsetzt über so viel Brutalität schüttele ich den Kopf.
>>Ja, der Kerl hat sie nicht mehr alle, gut das er Stirbt. Und was hältst du davon, das Katniss, die Präsidentin erschießt? Ich fand die Wendung echt überraschend.<< stimmt Felix zu.
>>Ich auch, aber wenn mich ständig alle herum schubsen würden, würde ich das vermutlich auch tun.<< nachdenklich starre ich vor mich hin.
So geht das immer weiter, bis Marvin kommt. Im Auto hängen wir dann jeder unseren Gedanken nach. Ich schaue aus dem Fenster und muss jetzt, da wir wieder auf das Gestüt zurück fahren an Ian denken. Hoffentlich laufe ich ihm nicht noch einmal über den Weg. Ich möchte ihm keine Unannehmlichkeiten bereiten.
Als wir auf den Hof kommen herrscht reges Treiben. Vor dem Stall steht ein großer Transporter und ich sehe Peter, wie er eine Stute mit ihrem Fohlen auf den Hänger führt, Dahinter kommt Ian, ebenfalls mit einer Stute und ihrem Fohlen. Als die beiden die Pferde verladen haben, kommen sie aus dem großen Auto und holen weitere Pferde. Es sind auch noch andere Helfer da, die beim verladen der jungen Pferde helfen, doch Felix schlägt sich ärgerlich eine Hand vor den Kopf.
>>Mist, wie konnte ich das nur vergessen! Heute werden die Stuten ja auf die Sommerweide gebracht, da muss ich helfen.<< flucht er vor sich hin. >>Meinst du, du kommst eine Zeit ohne mich aus?<< fragt er und wirft mir einen forschenden Blick zu.
>>Sicher, ich bin ja schon ein großes Mädchen. << sage ich lächelnd. >>Ich kann ja Margarethe beim essenmachen helfen oder so. Bei so vielen Essern kann sie bestimmt Hilfe gebrauchen.<<
>>Gut, mach das, wir sehen uns dann später. Ja? << verabschiedet er sich und springt aus dem Wagen. Dann läuft er zu seinem Vater und hilft mit, die Pferde zu verladen.
Als ich auch aus dem Wagen geklettert bin, schaue ich ihnen einen Moment zu, doch als sie mit den ersten Tieren den Hof verlassen, gehe ich ins Haus.
In der Küche finde ich allerdings nicht Margarethe, sondern Page, die mit den Essensvorbereitungen beschäftigt ist.
>>Hallo. << grüße ich sie. >>Kann ich vielleicht helfen?<<
>>Na, wie war euer Kino?<< fragt sie mich und schiebt mir ein Brett, ein Messer und eine Paprika zu. >>Du kannst die Paprika klein schneiden. << sagt sie lächelnd.
>>Gut. << ich nehme das Messer und beginne zögerlich die Paprika in streifen zu schneiden. >>Ist das so richtig? << frage ich, weil ich das noch nicht so oft gemacht habe. Mit meiner Mutter habe ich schon ewig nicht mehr gekocht.
>>Ja, das ist gut. << kommentiert sie meine Paprikastreifen. >>Ich wollte etwas Chinesisches machen. << sagt sie und deutet auf einen großen Wok, der schon auf dem Herd steht. >>Magst du Chinesisch?<<
>>Ja, sehr gern sogar. Machst du es süß sauer oder eher scharf?<< frage ich neugierig.
>>Süß sauer. Wer es scharf möchte, der kann sich ja noch extra Chili ins essen streuen. << sagt sie und zwinkert mir zu.
Als ich mit der Paprika fertig bin gibt Page mir noch ein paar Möhren, die ich kleinschneiden soll, dann sind wir fertig.
>>So, jetzt müssen wir nur noch den Nachtisch machen. Was meinst du? Machen wir etwas mit Orangen oder Bananen?<< fragt sie mich.
Unschlüssig zucke ich mit den Schultern. >>Was mag Ian denn am liebsten?<< frage ich verlegen.
Page schaut mich nachdenklich an. >>Banane,<< sagt sie, >>aber du machst dir doch nicht immer noch Gedanken darüber, was heute Morgen passiert ist oder?<<
Verlegen zucke ich mit den Schultern und senke den Blick auf meine Hände. >>Ein bisschen. << gestehe ich ein.
>>Das musst du nicht. << erklärt Page bestimmt. >>Ich habe mit Ian gesprochen und es tut ihm leid, dass er so überreagiert hat.<<
>>Können wir trotzdem das Dessert mit den Bananen machen?<< frage ich. >>Einfach so, weil er es gern isst?<<
>>Sicher. << sagt sie lächelnd.
Page kramt alles Mögliche aus dem Schrank. Puddingpulver, Kekse, Bananen, Joghurt, Milch, Kakaopulver und Sahne.
>>Hier, du kannst die Kekse klein brechen. << sagt sie und schiebt mir die Packung zu.
Verwirrt schaue ich sie an. >>Einfach zerbrechen. << erklärt sie mir. >>Die kommen nachher in die Dessertgläser mit rein.<<
Während ich die Kekse zerbrösel, bringt sie die Milch zum Kochen. Wir schweigen eine weile, doch dann breche ich das schweigen.
>>Page, kann ich dich was fragen? <<
>>Aber natürlich Mia, worum geht es denn?<<
Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie wirklich fragen sollte, aber der Gedanke lässt mir einfach keine Ruhe. Also fasse ich mir ein Herz und stelle die Frage, die mir schon auf der Seele brennt, seit Felix mir erzählt hat, das seine ganze Familie aus Adoptivkindern besteht.
>>Warum habt ihr alle eure Kinder Adoptiert?<< frage ich leise.
>>Ich kann keine eigenen Kinder bekommen, deshalb haben wir welche Adoptiert.<< erklärt sie mir fröhlich.
>>Aber warum? Ich meine was hast du davon?<< frage ich verwirrt.
>>Wie meinst du das Mia?<< nachdenklich schaut sie mich an.
>>Ich weiß nicht so genau, aber wenn man eigene Kinder hat, ist das dann nicht etwas ganz anderes als welche zu Adoptieren? Kann man fremde Kinder überhaupt...<< ich stocke verlegen, aber dann sage ich es doch, allerdings ganz leise. >>...lieb haben?<<
>>Ich könnte meine eigenen Kinder nicht mehr lieben, als ich es bei diesen Fünf tue.<< sagt sie bestimmt.
>>Auch Ian? Obwohl er so schwierig ist.<< will ich wissen.
>>Ja, auch Ian. << sagt sie leise>>Ihn am allermeisten. << ihre Augen schimmern feucht, als sie das sagt.
>>Es tut mir leid. << entschuldige ich mich. << Ich wollte dir nicht zu nahe treten.<<
>>Ist schon gut, Mia. << winkt sie ab. >>Wenn es um Ian geht bin ich immer etwas nah am Wasser gebaut. <<
>>Weil er so... schwierig ist?<< frage ich vorsichtig.
>>Nein, weil er es so schwer nimmt, was mit seiner Mutter geschehen ist.<< erklärt sie mir.
>>Oh.<< verständnisvoll nicke ich, ja das kann ich verstehen.
>>Dann ist seine Mutter gestorben?<< frage ich leise.
>>Ja. << bestätigt Page >>Vor vier Jahren.
Nachdenklich schaut sie mich an, sie scheint zu überlegen, ob sie mir noch mehr sagen soll. Und scheinbar scheint sie sich dazu durchzuringen, denn sie fährt mit ihrer Erzählung fort.
>>Weißt du wie alt Ian war, als er zu uns kam?<<
Ich schüttele mit dem Kopf, falls Felix es mal erwähnt hat, habe ich es wieder vergessen.
>>Er war elf. Seine Mutter musste ins Krankenhaus, weil sie Bulimie hatte. Sie war damals schon ziemlich geschwächt, und auch Ian war viel zu dünn, als er zu uns kam. Seine Mutter hat ihn hungern lassen, weil sie selbst sich immer für zu dick hielt. Die Ärzte haben es geschafft, sie wieder etwas aufzupäppeln. Sie nahm etwas zu, aber dann nahm sie wieder ab. So ging das hin und her. Fünf Jahre lang. Man hatte sie in eine Psychiatrische Klinik verlegt, wo wir sie mit Ian regelmäßig besuchten. Es war schrecklich, selbst für mich. Obwohl sie in Therapie war, konnten die Ärzte ihr nicht helfen. Sie muss die Infusionen, die sie am Leben erhalten sollten irgendwie umgangen haben, auf jeden Fall kollabierte Irgendwann ihr Kreislauf. Sie viel in ein Koma und starb einige Tage später. Die Ärzte konnten sie nicht Retten.
Ian gibt ihnen die Schuld am Tod seiner Mutter. Er glaubt, dass sie nicht alles für sie getan haben und das sie sie hätten retten müssen. << beendet Page ihre Geschichte.
>>War Ian denn schon immer so...so... wie er jetzt ist? << frage ich traurig. Diese Geschichte ist wirklich schrecklich.
Page schüttelt betrübt den Kopf. >>Erst seit seine Mutter gestorben ist. Das hat ihn verändert. Er war schon immer etwas verschlossen aber seit dem kommen wir kaum mehr an ihn heran.<< Verständnisvoll nicke ich, das kann ich durchaus verstehen. Ich habe mich auch verändert als "Meine Mutter starb", oder besser als ich erfahren habe das Mara nicht meine Mutter ist.
>>Hat der Flügel auch mit dieser Geschichte zu tun?<< frage ich verlegen.
>>Ja. << bestätigt Page. >>Er hat seiner Mutter gehört, sie war Pianistin. Und er ist das einzige Persönliche Stück, was ihm von ihr geblieben ist.<<
Ich merke gar nicht, wie mir die Tränen über die Wangen laufen, bis Page mich in den Arm nimmt und mir übers Haar streicht.
>>Sei nicht Traurig Mia. Du kannst nichts daran ändern.<< tröstet sie mich. >>Wir können ihm nur helfen, wenn wir ihm zeigen, dass wir ihn nicht verlassen. Denn das ist es wovor er Angst hat, das jeder, den er an sich heran lässt ihn Einestages verlassen wird. Deshalb stößt er alle von sich. Und was dich betrifft, so erinnerst du ihn an seine Mutter. << verlegen blickt sie mich an. Dann fragt sie beinahe ängstlich. >>Bist du magersüchtig, Mia?<<
Energisch schüttel ich den Kopf. >>Nein. Ich weiß, dass ich zu dünn bin, aber das ist keine Absicht. Ich hatte einfach keinen Appetit. << erkläre ich ihr.
>>Da bin ich aber froh. << sagt Page erleichtert. >>Wenn du aber immer noch ein schlechtes Gewissen wegen heute Morgen hast, dann würde ich an deiner Stelle tüchtig zu Abend essen, damit Ian sich nicht so viele Sorgen machen muss. Und ich würde mich auch freuen.<< sagt sie lächelnd.
>>Ich werde es versuchen. << sage ich und muss lachen. >>Dabei habe ich heute schon so viel Popcorn gefuttert, das ich noch immer ganz satt bin.<<
>>Noch ist das Essen ja nicht fertig. << lacht sie. >>Komm, wir füllen die Creme jetzt in Gläser und stellen es zum Festwerden in den Kühlschrank. << kommandiert sie. >>Dann braten wir das Gemüse. Die Männer müssten eigentlich bald mit den Pferden fertig sein.<<
Und so ist es dann auch. Page hat Fleisch im Wok angebraten und dann Gemüse dazu getan. Kokosmilch, Ananas und noch irgendwelches anderes Zeugs und gerade als sie die Essenglocke Läuten will, kommen Peter, Felix und sogar Ian zur Haustür herein.
Eilig gehen sie sich die Hände waschen und setzten sich dann an den Tisch. Ausnahmslos allen schmeckt es, auch mir. Ich bin froh, das Ian heute ausnahmsweise mit uns isst, und noch froher bin ich, dass er mich nicht mehr mit seinen Blicken töten will. Er scheint sogar in recht guter Verfassung zu sein, denn er taut immer weiter auf und lächelt sogar ein wenig, als Page den Nachtisch aus dem Kühlschrank holt.
Ich bin so voll, als ich mein Dessert aufgegessen habe, das mir der Bauch wehtut.
Doch als Page den Tisch abräumt stehe ich auf um ihr zu helfen, doch sie lehnt meine Hilfe ab.
>>Das können Felix und Lea übernehmen. Du hast heute schon genug geholfen. << sagt sie lächelnd.
>>Aber ich mach das gern. << biete ich an.
>>Nichts da!<< sagt sie energisch und schiebt mich sanft aus der Küche. >>Zugang für Gäste gesperrt!<< sagt sie grinsend, aber ich habe keine andere Wahl, als mich ihr zu fügen. Und so gehe ich in mein Zimmer hinauf und lege mich aufs Bett.
Der Abend war wirklich Nett, die Stimmung war locker und es wurde viel gelacht. Sogar Ian war irgendwie verändert. Woran das wohl lag? Er hat zwar nicht mit mir geredet, aber er hat mich auch nicht böse angefunkelt. Was für ein Fortschritt.
Ich muss gähnen, so müde bin ich. Der Tag war ganz schön lang. Meine Augen brennen und ich reibe sie etwas, doch das jucken verschwindet nicht. Ich schließe sie kurz, dann etwas länger und dann bin ich eingeschlafen.
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